23 Tote im Wrack eingeschlossen?Belgier entdecken deutsches U-Boot

Ein grausiger Fund in der Nordsee weckt Erinnerungen an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte: Im Meer vor Ostende stoßen Taucher auf ein Boot der Kaiserlichen Marine. Die Leichen der Besatzung befinden sich noch an Bord. Noch sind alle Luken verschlossen.
Vor der belgischen Küste haben Taucher ein deutsches U-Boot aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt. Das Wrack sei fast vollständig intakt, teilte der zuständige Gouverneur von Westflandern, Carl Decaluwé, auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz mit. Das Boot liegt demnach vor Ostende auf dem Meeresgrund.
Um Souvenirjäger fernzuhalten, werde die genaue Lage des Wracks zunächst nicht veröffentlicht, hieß es. Der Rumpf des versunkenen U-Boots ist offenbar gut erhalten. "In einem solchen U-Boot gab es regulär 22 Besatzungsmitglieder und einen Kommandeur", sagte Decaluwé. Experten gehen davon aus, dass sich die sterblichen Überreste der Besatzungsmitglieder auch nach gut 100 Jahren unter Wasser noch an Bord befinden.
Ein Jahrhundert unter Wasser
"Alle Luken sind noch geschlossen", erklärte der Meeresarchäologe Tomas Termote, der das Wrack am Meeresgrund ausfindig gemacht hatte. Termote gilt als passionierter Wracktaucher, der bei seinen Tauchgängen in der Nordsee eng mit den Behörden zusammenarbeitet. Die verschlossenen Luken und der intakte Rumpf "deuten darauf hin, dass die 23 Besatzungsmitglieder immer noch im Wrack sind", sagte der Direktor des Flämischen Meeres-Instituts (VLIZ), Jan Mees.
Um welchen Bootstyp es sich handelt, ist noch unklar. Die am Fund beteiligten Experten vermuten aufgrund der Abmessungen, dass es ein U-Boot vom Typ "UB II" sein könnte. Die in der Region erscheinende Tageszeitung "De Standaard" veröffentlichte Aufnahmen, auf denen die Umrisse des Bootes allerdings nur schemenhaft zu erkennen sind. Das rund 27 Meter lange und sechs Meter breite Wrack liegt den Angaben von Wracktaucher Termote zufolge in etwa 30 Metern Tiefe.
Basis der Kaiserlichen Marine
Ostende liegt an der Einfahrt in den Ärmelkanal. Das deutsche Kaiserreich unterhielt im von Deutschland besetzten Belgien mehrere U-Bootbasen. Einer dieser Stützpunkte befand sich im Hafen von Ostende. Die dort stationierte Flandern-Flottille bestand Historikern zufolge aus 19 verschiedenen Tauchbooten, von denen 15 versenkt wurden.
Was genau zum Untergang des U-Boots führte, liegt noch im Dunkeln. Spuren am Bug deuten den Berichten zufolge darauf hin, dass das Boot auf eine Kontaktmine aufgelaufen sein könnte. Bei der Explosion dürfte die Besatzung binnen Sekunden ums Leben gekommen sein.
Belgier suchen Namen der Toten
Die belgischen Experten gehen davon aus, dass sie vielleicht bald schon die Namen der Toten erfahren könnten. Da die vor Ort stationierten Bootstypen bekannt sind, gehen Ermittler nun die Einsatzpläne und Vermisstenlisten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs durch. Sobald sich ein Treffer ergibt, dürften sich den bislang unbekannten Kriegstoten vielleicht sogar Gesichter, Namen und Lebensgeschichten zuordnen lassen. Bei einem solchen Fund in der Nordsee sei dies noch nie möglich gewesen, heißt es im "De Standaard".
Ob das deutsche U-Boot geborgen werden kann, ist noch unklar. Offen ist auch, ob sich noch Munition an Bord befindet. In vergleichbaren Fällen hatte die belgische Regierung Wrackfunde aus den Weltkriegen unter Denkmalschutz gestellt und damit ihren Verbleib vor Ort gesichert. Es ist bereits das elfte U-Boot, das in den Gewässern vor der belgischen Küste gefunden wurde. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist das jüngst entdeckte Wrack allerdings das bislang am besten erhaltene Exemplar.
Krieg unter Wasser
Für die Menschen in Ostende und ganz Belgien ruft der Fund eines deutschen U-Boot-Wracks vor der eigenen Küste Erinnerungen an dunkle Kriegstage zurück. Das Seegebiet vor der belgischen Küste war im Ersten Weltkrieg stark umkämpft. Deutsche U-Boote der Kaiserlichen Marine fuhren in der Region Patrouille, um Kriegsschiffe zu versenken oder Frachter von der Versorgung der britischen Insel abzuhalten. Daneben wurden die deutschen Boote auch dazu eingesetzt, in den viel befahrenen Schifffahrtsstraßen der Nordsee Seeminen zu verlegen.
Der Badeort an der Nordseeküste galt bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts als beliebtes Urlaubsziel. Während des Kriegs zwischen 1914 und 1918 geriet die Stadt aufgrund des deutschen U-Bootstützpunkts und der Nähe zur Westfront wiederholt in die Schusslinie.