Schmähgedicht gegen Erdogan Böhmermann scheitert vor Verfassungsgericht
10.02.2022, 12:43 Uhr
Böhmermann hatte das Gedicht 2016 in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" verlesen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Gerichte verbieten Teile eines Schmähgedichts über den türkischen Staatschef Erdogan. Dagegen geht Verfasser Jan Böhmermann mit einer Beschwerde vor. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet nun: "Keine Aussicht auf Erfolg."
Der Satiriker und TV-Moderator Jan Böhmermann ist mit einer Verfassungsbeschwerde zu seinem Gedicht "Schmähkritik" über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aus dem Jahr 2016 erfolglos geblieben. In einem veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hieß es: "Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat." Eine weitere Begründung gab es nicht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Der heute 40-jährige Böhmermann hatte das Gedicht am 31. März 2016 in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" auf ZDF Neo verlesen. Darin wurden Erdogan in drastischen Worten sexuelle Praktiken wie Pädophilie und Sodomie unterstellt. Es war eine Reaktion auf Erdogans Vorgehen nach einem Beitrag in der Satiresendung "Extra 3": Der türkische Präsident hatte deswegen den deutschen Botschafter einbestellt. Böhmermann nannte sein Gedicht "Schmähkritik" und erklärte während seines Vortrags, was in Deutschland gesagt werden dürfe und was nicht.
Gedicht löste Debatte über Satire aus
Die Sache erregte großes Aufsehen, führte zu einer öffentlichen Debatte über Satire und Meinungsfreiheit und belastete die deutsch-türkischen Beziehungen. Mehrere Gerichte und die Staatsanwaltschaft in Mainz beschäftigten sich damit. Erdogan stellte Strafanzeige wegen Beleidigung. Die Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Böhmermann auf Grundlage des Paragrafen, der die "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten" unter Strafe stellte, die Ermittlungen wurden aber im Oktober 2016 eingestellt. Eine Beschwerde Erdogans dagegen blieb ohne Erfolg. Strafrechtlich hatte der Beitrag also keine Folgen für Böhmermann. Der entsprechende Paragraf wurde wenig später aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.
Böhmermann selbst klagte 2019 erfolglos vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen das Kanzleramt auf die Unterlassung einer Formulierung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte Böhmermanns Zeilen "bewusst verletzend" genannt, distanzierte sich aber wenig später von dieser Formulierung.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun über Urteile aus dem Zivilverfahren in Hamburg: Auf Erdogans Klage hin verbot das Landgericht vor fünf Jahren 18 der 24 Gedichtzeilen, das Hanseatische Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung im Jahr 2018. Die betreffenden Passagen enthielten demnach schwere Herabsetzungen, für die es in Person und Verhalten Erdogans keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gebe. Erdogans Antrag, das Gedicht komplett zu verbieten, wies das Oberlandesgericht ebenfalls ab. Der Bundesgerichtshof hatte 2019 die Beschwerde Böhmermanns dagegen, dass eine Revision nicht zugelassen worden war, zurückgewiesen. Danach zog Böhmermann vor das höchste Verfassungsgericht.
Quelle: ntv.de, hek/dpa/AFP