Panorama

Rückholaktion aus Miami"Das Auswärtige Amt agierte unbeholfen"

15.04.2020, 20:04 Uhr
F-Florida-Kanal-1
Der Dresdner Frank Huebinger verbrachte bereits mehrere Urlaube in Florida - an diese Reise wird er sich aber wohl besonders lang erinnern. (Foto: privat)

Stundenlang in Hotlines, tagelang am Computer: Der Dresdner Frank Huebinger war mit seiner Familie im Florida-Urlaub gestrandet. ntv.de erzählt er von seinen Erfahrungen mit der Rückholaktion der Bundesregierung. "Die Ungewissheit war total nervig."

Stundenlang in Hotlines, tagelang am Computer: Der Dresdner Frank Huebinger war mit seiner Familie im Florida-Urlaub gestrandet. ntv.de erzählt er von seinen Erfahrungen mit der Rückholaktion der Bundesregierung. "Die Ungewissheit war total nervig."

ntv.de: Herr Huebinger, wann und mit wem sind Sie in die USA in den Urlaub geflogen?

Ich war mit meiner Frau, unseren zwei Töchtern und dem Freund unserer Ältesten in Florida. Wir flogen am 11. März von Dresden über München nach Miami.

Warum sind Sie trotz der Corona-Pandemie noch verreist?

Es war der erste Urlaub mit den Kindern seit fünf Jahren. Es sind zwar unsichere Zeiten, aber wenigstens waren wir alle zusammen. Wir hatten den Urlaub seit Monaten geplant und uns am 9. März final entschieden zu fliegen. Zu dem Zeitpunkt waren in Deutschland 1100 Infektionen nachgewiesen, in Amerika rund 200, drei davon in Florida. Die Ansteckungsgefahr erschien uns dort kleiner als hier. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Heimkehr so schwierig wird.

Wie ging es nach der Ankunft in Miami für Sie weiter?

Wir kamen am 11. März an. Anfangs war der Urlaub fantastisch. Herrliches Wetter, tolle Strände. Der "Spring Break" hatte gerade begonnen. Überall wurde getanzt und gefeiert. Die Strände waren rappelvoll, kein Abstand, gar nichts. Von Coronavirus-Angst war nichts zu spüren. Nur ein Kellner aus Italien machte sich Sorgen um seine Familie. Zunächst wirkte es so, als ginge das Virus niemanden etwas an. Aber bald wurde alles anders.

Woran machten Sie das fest?

Hier und da war jemand mit Mundschutzmaske zu sehen. Auf Fox lief den ganzen Tag, wie super Trump alles handhabt – und wie Obama und Biden bei der Schweinegrippe und anderen Dingen angeblich kläglich versagten. Doch plötzlich wurden die ersten Strände geschlossen, ab 19. März alle, auch die öffentlichen Einrichtungen. Restaurants durften nur noch außer Hauses verkaufen. Aber wie zunächst in Deutschland gab es noch keine Ausgangssperren oder Restriktionen.

Amerika gilt als touristenfreundlich. Hatten Sie negative Erlebnisse wegen Corona? Hat man Sie als Europäer mit Argwohn betrachtet?

Das war unser siebter oder achter Urlaub in Florida. Wir kennen das Land sehr gut, wir haben dreieinhalb Jahre im Bundestaat New York gelebt. Alles war wie immer. Wir hatten nicht einen einzigen Moment, in dem wir schief angeschaut wurden. Die allgemeine amerikanische Gelassenheit war nach wie vor spürbar. Gerade wir Deutschen wurden wie eh und je freundlich begrüßt.

Konnten Sie in Ihrem Ferienhaus bleiben oder mussten Sie umziehen? Wie klappte die Lebensmittel- und Trinkwasserversorgung?

Wir hatten doppeltes Glück. Die nächsten Mieter sollten erst am 2. April kommen. Der Umzug in ein anderes Quartier wäre verboten gewesen. Zudem wurde uns die Miete reduziert. Und bei allem Lockdown hatten wir wenigstens schönes Wetter und einen Pool. Auch die Selbstverpflegung klappte prima.

Wurden Sie aufgefordert, das Land zu verlassen?

Nein. Wir haben aber versucht, früher als am 26. März zurückzufliegen. Das war unmöglich. Check24, wo ich die Tickets gebucht hatte, verwies auf Lufthansa, die Airline auf FTI Touristik. Die Lufthansa erstellte einen Notflugplan, der als PDF downloadbar war.

Wie ging es weiter?

Auf dem PDF standen immer nur Flüge der nächsten zwei Tage - weswegen man erst 72 Stunden vor einer geplanten Reise anrufen sollte, was ich am 24. März tat. Nach zwei Stunden Wartezeit in der US-Hotline der Lufthansa wurde mir gesagt, dass wir mit der gebuchten Maschine am 26. März nicht mitkommen. Wir standen ohne Heimflug da. Die Ungewissheit war total nervig. Letztlich konnte uns Lufthansa aber auf American und British Airlines über Boston, London nach Frankfurt am 31. März und 1. April umbuchen. Das war laut Lufthansa der erste mögliche Flug für uns fünf nach Deutschland. Lufthansa war nach eigenen Angaben bis mindestens 21. April ausgebucht.

Was war die größte Hürde bei der Rückkehr nach Deutschland?

Die widersprüchliche Kommunikation des Auswärtigen Amtes und fehlende Informationen der Lufthansa. Die Airline hat mich enttäuscht. United, American und British Airlines hatten alle Notflugpläne bis Ende April, weshalb neue Buchungen möglich waren. Das gab es bei der Lufthansa nicht.

Was hat Sie am Bundesaußenministerium geärgert?

Der gute Wille war erkennbar, gestrandete Touristen zurückzuholen. Die Umsetzung empfand ich überraschend unbeholfen. Bei der ersten Rückholliste habe ich fünf Tage am Computer gesessen, um uns fünf Leute daraufzusetzen. Ständige Serverzusammenbrüche oder gar keine Erreichbarkeit. Man sollte angeben, wann die geplante Rückreise ist. Dazu gab es die Info, dass man automatisch eine Woche später aus dem System gelöscht werden wird. Das deutsche Konsulat in Miami war zu und telefonisch nicht mehr erreichbar.

Wie haben Sie es schließlich geschafft?

Plötzlich existierte eine zweite Rückholliste. Die funktionierte auch IT-mäßig. Wir trugen uns ein und erhielten zwei Tage später per Mail einen "Landsleutebrief", in dem erklärt wurde, solange es noch Flüge aus den USA nach Deutschland gebe, müsse man sich selber kümmern. Am selben Tag stand auf der Webseite der Lufthansa, dass Flüge gestrichen worden seien und man sich über das Rückholprogramm ans Auswärtige Amt wenden solle. Das war verwirrend. Außer, dass ich von der ersten Liste gelöscht wurde, habe ich nichts weiter vom Auswärtigen Amt gehört oder bekommen.

Was hat Sie das alles zusätzlich gekostet?

Verpflegung, Miete für Auto und Haus rund 1500 Euro. Aber dafür hatten wir ja auch fünf Tage länger Urlaub. Im Vergleich zu anderen Gestrandeten hatten wir es noch recht gut.

Mit Frank Huebinger sprach Thomas Schmoll

Quelle: ntv.de

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