Panorama

Nach dem Krebs kam die Pandemie "Die Kontaktarmut macht mir zu schaffen"

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Monika Böttger mit ihren Söhnen Martin und Theo (v.r.) vor der Pandemie.

(Foto: Rocco Thiede)

Monika Böttger hat eine Brustkrebserkrankung überstanden. Gerade wollte sie wieder durchstarten, da kam das Coronavirus. Nun muss sie im brandenburgischen Finsterwalde bleiben, digital hält sie Kontakt mit ihren Söhnen und der Enkeltochter in Berlin. Aber manchmal kommt die Einsamkeit.

Meinen aktuellen Zustand beschreibe ich nicht damit, dass ich Krebs habe. Ich bin darüber weg. Aber geheilt ist man nie und Krebs kann irgendwann einmal wiederkommen. Viele Menschen meiden in den Corona-Zeiten die Krankenhäuser und da wird der Krebs am Ende nicht entdeckt. Das ist schlimm. Die Angst ist halt sehr groß.

Als ich vor einem Monat bei meiner Frauenärztin in Doberlug-Kirchhain war, gingen die Krebs-Patientinnen durch den Hintereingang in die Praxis. Ich muss alle drei Monate zur Routinekontrolle dorthin und einmal im Jahr zur Mammographie. Meine Medizin, wie Selen, muss ich mir selber kaufen. Weil meine Krebserkrankung nicht hormonell bedingt ist, erhalte ich keine weiteren Therapien. Mein Krebs ist aus mir herausgewachsen. Ich brauche keine Antikörpertherapien. Die Zeit der Bestrahlungen und Infusionen ist vorbei. Dennoch muss ich mich regelmäßig noch beim Arzt vorstellen. Aber da werden auch Termine abgesagt und auf das Jahresende verschoben, wie kürzlich einer, den ich in Dresden hatte.

Viele meiner Bekannten haben sich, weil sie Risikopatienten sind, krankschreiben lassen. Mich persönlich betrifft das nicht, weil ich zu Hause bin und auf mich selber achten kann. Oft bin ich für meine Freundinnen, die meine Hilfe brauchen, wie eine Seelsorgerin. Manches Mal erschrecke ich mich selbst, wie viel Kraft ich auch anderen geben kann. Viele Frauen kenne ich aus der Zeit der Chemotherapie oder von der Reha. Wir passen sehr aufeinander auf und schreiben uns per Whatsapp, weil wir uns nicht besuchen können. Am Anfang steht immer die Frage: "Geht es dir gut?"

Man muss selbst was tun

Nicht immer können Frauen auf ihren Partner bauen. Es gibt Männer, die lassen ihre Frauen mit ihrem Krebs alleine, weil sie damit nicht umgehen können. So ging es auch einer guten Freundin von mir. Sie war froh, dass sie mit mir immer wieder sprechen konnte. Dabei sind die Partnerschaft und eine funktionierende Beziehung gerade für Menschen mit Krebs so wichtig.

Nach meiner Chemotherapie, Reha und Kur, dachte ich: Jetzt starte ich wieder durch. Ich wollte gerne mal wieder einen tollen Urlaub machen. Das wird nun nichts. Seit den Pandemiebeschränkungen fiel der zweiwöchentliche Reha-Sport für Krebspatienten genauso weg wie andere sportliche Betätigungen in Gruppen. Und auch mein außerschulischer Unterricht mit Kindern wurde storniert. Also muss man selber etwas tun. Deshalb mache ich nun zu Hause Sport, zum Beispiel Yoga. Anfangs merkte ich schon, wie mir durch die fehlende Bewegung alles auf die Knochen ging. Mein Körper signalisierte: Da fehlt es an Leistung.

In den ersten Wochen habe ich lange Spaziergänge gemacht. Jetzt bin ich auf das Rad gestiegen und fahre meine Kilometer runter - am Wochenende gerne auch vier Stunden, zusammen mit einer meiner Freundinnen. Mehr als zwei Personen dürfen ja weiterhin nicht in Brandenburg unterwegs sein. Wichtig ist auch die Ernährung. Statt Wurst und Fleisch esse ich Obst, Gemüse, Körner und viele Nüsse. Gesund ernährt ist gesund ernährt - egal, ob man Krebs hat oder nicht.

Einsamkeit ist enorm

Mir fehlen schon die sozialen Kontakte. Diese verordnete Kontaktarmut fällt mir nun auf die Füße. Manches Mal leide ich auch darunter. Die Einsamkeit ist enorm. Immerhin öffnen jetzt wieder die Museen und Freunde machen Ausstellungen. Da versuche ich dann hinzufahren. Aber es bleibt permanent der Gedanke im Hinterkopf: Du bist eine gefährdete Patientin und du musst schauen, dass die Kontakte zu anderen nicht zu groß werden.

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Mit meinen Söhnen Theo und Martin, die in Berlin wohnen, telefoniere oder skype ich mehrmals in der Woche - je nachdem, wie die Jungs Zeit haben, denn als freie Künstler sind sie gerade jetzt sehr gefordert und müssen schauen, wie sie durchkommen. Sie raten mir natürlich immer: "Mutter, du musst dich schützen. Du kannst niemanden mehr in dein Haus reinlassen." Wenn Freunde kamen, haben wir uns dann im Hof getroffen. Ich merke, die Jungs achten auch von der Ferne auf mich und sind sehr fürsorglich. 

Mit meiner Enkelin Emma halte ich nun am Telefon die Märchenstunden. Sie geht in die 2. Klasse, ruft mich an und sagt: "Oma, kannst du mir was vorlesen? Mama und Papa haben gerade keine Zeit." Ich sagte zu ihr, jetzt muss ich erst das Buch holen und sie bat mich, sie mitzunehmen, weil sie Angst hatte, ich gehe weg. Das war niedlich.

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Für mich selber mache ich viel Kreatives. Muss ich auch, damit einem die Decke nicht auf den Kopf fällt. Ich male gerne Aquarelle oder Pastelle - zwar nicht draußen in der Natur. Aber was ich dort sehe, speichere ich im Kopf und setze es zu Hause um. Kunst hilft eigentlich immer und erst recht für Krebspatienten in Corona-Zeiten!

Aufgezeichnet von Rocco Thiede

Quelle: ntv.de

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