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Pathologen sammeln Erkenntnisse Was uns die Toten über Covid-19 verraten

Das RKI hatte zunächst von Obduktionen abgeraten, inzwischen sind sie ein wichtiges Mittel bei der Erforschung von Covid-19.

Das RKI hatte zunächst von Obduktionen abgeraten, inzwischen sind sie ein wichtiges Mittel bei der Erforschung von Covid-19.

(Foto: picture alliance/dpa)

Weltweit starben bereits über 175.000 Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren. Durch die Untersuchung dieser Toten erfahren Mediziner mehr und mehr, was Covid-19 im Körper anrichtet. Erfahrungen aus Hamburg und Basel zeigen nun erstaunliche Übereinstimmungen.

Sterben die Menschen in der Corona-Pandemie an Covid-19? Oder sterben sie lediglich mit der Krankheit? Diese Frage wird seit Beginn der weltweiten Ausbreitung des Virus immer wieder gestellt. Nun geben Obduktionsergebnisse erstmals detailliert Auskunft dazu. NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" liegt unter anderem ein Bericht des Hamburger Rechtsmediziners Klaus Püschel vor, der die Ergebnisse von 65 Fällen zusammenfasst.

Püschel hatte bereits Anfang April in einem ntv-Interview gesagt, dass in Hamburg ausschließlich vorerkrankte Patienten an Covid-19 gestorben seien. In der jetzigen Zusammenstellung, die Patienten umfasst, die zwischen dem 22. März und dem 11. April am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf untersucht wurden, wird Püschel noch etwas genauer.

Die in Hamburg obduzierten Patienten hatten demnach Übergewicht, früher einen Herzinfarkt, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Diabetes, Krebs oder Organschäden an Nieren oder Leber. 46 Obduzierte hatten eine Vorerkrankung der Lunge. 28 hatten andere Organschäden oder transplantierte Organe gehabt. 10 der Obduzierten hatten Diabetes oder schweres Übergewicht, ebenfalls 10 eine Krebserkrankung, 16 litten an Demenz.

Mittlerweile ist die Zahl der in Hamburg obduzierten Covid-19-Opfer laut Püschel auf über 100 gestiegen.

"Wahrscheinlich noch am Leben"

Obduktionsergebnisse aus der Schweiz deuten in die gleiche Richtung. Alexandar Tzankov, Leiter der Autopsie am Universitätsspital Basel, sagte den Zeitungen, die in der Schweiz obduzierten Personen hätten allesamt unter Bluthochdruck gelitten. Ein Großteil der überwiegend männlichen Patienten sei zudem deutlich übergewichtig gewesen. Mehr als zwei Drittel von ihnen hatten Vorschädigungen in den Herzkranzgefäßen, ein Drittel waren Diabetespatienten.

Tzankov betonte jedoch, dass es sich bei 20 Toten lediglich um eine Stichprobe handeln könne. Trotzdem legt sich der Pathologe fest: Die Verstorbenen, die er obduziert habe, wären ohne das Coronavirus "wahrscheinlich noch am Leben". Denn die Vorerkrankungen verkürzten die Lebenszeit zwar, aber "alle diese Patienten hätten wahrscheinlich ohne Covid-19 länger gelebt, vielleicht eine Stunde, vielleicht einen Tag, eine Woche oder ein ganzes Jahr".

Lungenentzündung ist selten

Der Schweizer Experte vermutet zudem, dass er die Erklärung gefunden haben könnte, warum viele Covid-19-Patienten auch mit Beatmung nicht gerettet werden können. Denn überraschend starben die wenigsten der insgesamt 20 in Basel obduzierten Toten an einer Lungenentzündung. "Was wir unter dem Mikroskop gesehen haben, war eine schwere Störung der Mikrozirkulation der Lunge." Das bedeute, dass der Sauerstoffaustausch nicht mehr funktioniere. Der gegebene Sauerstoff werde im Körper einfach nicht mehr weiter transportiert. In einem in der vergangenen Woche im Fachblatt "Lancet" veröffentlichten Paper hatten Pathologen der Universität Zürich bereits darauf hingewiesen, dass das Coronavirus nicht nur die Lunge angreift, sondern zu einer schwerwiegenden Gefäßentzündung verschiedenster Organe führen kann.

Tzankov betonte deshalb, Erkenntnisse über die "Physiologie des Sterbens" seien wichtig für die Behandlung schwerkranker Corona-Patienten. In Deutschland sind bisher etwa 5000 Menschen an oder mit der Krankheit gestorben. Bis vor Kurzem hat das Robert-Koch-Institut (RKI) noch davon abgeraten, Covid-19-Tote zu obduzieren. Die Begründung war, dass die Gefahr für Ärzte zu groß sei, sich dabei möglicherweise selbst zu infizieren. Auf der Pressekonferenz am Dienstag sagte RKI-Vizechef Lars Schaade nun: "Gerade wenn die Erkrankung neu ist, ist es wichtig, möglichst viel zu obduzieren." Darauf hatten Rechtsmediziner bereits seit Längerem gedrängt. Schon seit Mitte April werden an der RWTH Aachen in einem Register Covid-19-Obduktionsergebnisse gesammelt, um Erkenntnisse zentral auszuwerten.

Quelle: ntv.de

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