Panorama

Wiener Walzerdynastie Ein interaktives Zuhause für die Strauss-Familie

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Einer der Säle im Strauss-Haus.

Einer der Säle im Strauss-Haus.

(Foto: Andrea Affaticati)

Beim Silvesterkonzert der Wiener Philharmoniker gehören Stücke von Johann Vater und Sohn, Josef und Eduard Strauss zum Pflichtrepertoire. Ein Wiener Immobilienmakler hat für die insgesamt vier Strauss' das Casino, in dem sie einst auftraten, renoviert und saniert. Das Ergebnis ist berauschend wie ein Strauss-Walzer.

Um wirklich in den Genuss des erst vor ein paar Wochen eröffneten House of Strauss zu kommen, sollte man sich diesem spazierend nähern, zumindest einen Teil der Döblinger Hauptstraße im 19. Wiener Bezirk zu Fuß gehen. Die Straße hat noch etwas von dem damaligen Flair, von der Zeit, als Vater Strauss und später seine Söhne zuerst die Vorstadt-Wiener und dann die Noblen, darunter auch die Teilnehmer am Wiener Kongress, mit dem Dreivierteltakt berauschten.

Das Casino Zögernitz schaut auf eine lange Geschichte zurück.

Das Casino Zögernitz schaut auf eine lange Geschichte zurück.

(Foto: House of Strauss)

Einige Gebäude aus der Biedermeier- und Jugendstilepoche machen nicht nur wegen der Fassaden auf sich aufmerksam, sondern auch wegen der Schriften. Da ist der Karakotsch-Hof aus dem Jahr 1905. Über einem der Tore liest man "Eingang zu den Bädern". Hier befand sich seit 1814 eine Badehütte, die 1821 zu einem öffentlichen Heilbad erweitert wurde, das auch von Beethoven besucht wurde.

Außerdem hat die Straße einen literarischen Stellenwert. In dieser spielen sich unter anderem Szenen aus Thomas Bernhards Erzählung "Die Billigesser" ab. Und zwar nicht weit von der Döblinger Hauptstraße 76.

Das Casino stand für Laster

Das jetzt der Strauss-Dynastie gewidmete Haus war einst das Casino Zögernitz. "Mit Casino bezeichnete man damals keine Spielhalle, sondern ein Tanz- und Unterhaltungsetablissement", erzählt Hermann Rauter, der das Gebäude saniert hat und jetzt betreibt, ntv.de. "Das Casino war zu jener Zeit das einzige Lokal, in das eine Frau allein gehen durfte und auch Bekanntschaften machte. Das hatte somit etwas Lasterhaftes und befand sich deswegen außerhalb des Zentrums."

Alles atmet die Zeit des jeweiligen Strauss'.

Alles atmet die Zeit des jeweiligen Strauss'.

(Foto: Sima Prodinger)

Rauter ist Mitte 50, von Beruf Immobilienmakler, vom Wesen her einer, der auch waghalsigen Ideen nachgeht, sich von Gefühl und Leidenschaft führen lässt, wie die Investition in diese Kultureinrichtung zeigt. Es gibt kein Detail, das bei der Sanierung vernachlässigt wurde. Wobei es nicht darum ging, einer Nostalgie nachzulaufen, das eine oder das andere Stück wieder aufzupolieren oder nur das letzte Klavier auszustellen, auf dem Eduard, der jüngste der Strauss-Brüder, noch gespielt hat. Es ging darum, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verflechten, den Stil von einst mit den Erwartungen eines heutigen Museumsbesuchs in Einklang zu bringen und den Besucher zum aktiven Mitspieler zu machen.

"Dass meine Vorstellung dann umgesetzt wurde, verdanke ich in erster Linie dem Atelier Brückner aus Stuttgart, die weltweit besten Museumsbauer überhaupt, die auch die Renovierung und Sanierung des Parlaments in Wien begleiten, und dem Architekten Denis Košutic, der ein absoluter Künstler ist", sagt Rauter.

Johann Strauss Vater - der erste Popstar?

Der Großteil des Museums ist mit interaktiven "Stationen" ausgestattet. Es gibt einen Geschichtskasten für jeden der vier Strauss', aus dem auch noch nicht bekannte Anekdoten ausgepackt werden. Man kann sich seinen Walzerpuls messen lassen, um dann den richtigen zu dirigieren. Man kann auch sein Gesicht in Szenen der Operette "Der Zigeunerbaron" hineinschummeln. Besonders viel Aufmerksamkeit zeigen die jungen Besucher bei der Installation, anhand der man den Tagesablauf von Johann Strauss Vater einordnen soll: Wie viel er schlief, wie viel er übte, wie viele Stunden er am Abend in den Lokalen musizierte, wie viel Zeit er der Familie widmete, wie viel er in Marketing investierte.

Den Begriff Marketing gab es damals freilich noch nicht, "trotzdem könnte man Johann Strauss Vater als den ersten Popstar bezeichnen", meint Rauter und verweist auf die Aufführung von "Eine Nacht in Venedig" 1834 im Augarten. Ein grandioses, in abertausende Lichter eingetauchtes Event, wie die als Gigantografie wiedergegebene Lithografie von Franz Wolf aus demselben Jahr zeigt. Die Leute kamen in Scharen zu jener Aufführung und später dorthin, wo immer einer der Strauss' spielte. Wie man einer der Tafeln entnehmen kann, gab es zur Jahrhundertwende in Wien, damals mit zwei Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt der Welt, insgesamt 62 Vergnügungs- und Tanzlokale. "Das sagt auch viel darüber aus, warum Wien die Weltstadt der Musik war", meint Rauter.

Während an den Wänden traditionell, also schriftlich, oder interaktiv die Geschichten der Protagonisten oder die Entstehung der verschiedenen Walzer erzählt wird, finden sich auf den Fensterscheiben abgebildet Szenen und Ereignisse aus dem Alltag. Zum Beispiel die Schenke an der Donau, die der Vater von Johann Strauss Vater führte. "Ich selber war in der Schule nie besonders gut", erklärt Rauter, "war eher für die visuelle als für die mnemonische Aufnahme. Deswegen habe ich diese Zeitachsen eingeführt." Er möchte, dass vor allem die jungen Besucher aus dem Museum kommen und ein Gesamtbild jener Zeit mitnehmen.

Meisterklassen und einmalige Akustik

Hermann Rauter mit Eduard Strauss, dem Ur-Ur-Enkel von Johann Strauss Vater.

Hermann Rauter mit Eduard Strauss, dem Ur-Ur-Enkel von Johann Strauss Vater.

(Foto: Sima Prodinger)

Und dann sind da noch zwei kleinere gemütliche Musikräume, in denen unentgeltlich Meisterklassen stattfinden. Hier sollen angehende Meister von Meistern unterrichtet werden, aber auch musikalisch begabte Kinder und Jugendliche musizieren. Ein paar Polsterstühle laden zum Zuhören ein.

Die geschichtliche Darstellung wurde fachkundig vom Wiener Institut für Strauss begleitet, das, wie das Strauss-Archiv, auch seinen Sitz hier hat, sowie von Eduard Strauss, dem Ur-Ur-Großenkel von Johann Strauss Vater. Er ist es auch, der im Video, das im Ballsaal ausgestrahlt wird, die Familiengeschichte erzählt.

Der Ballsaal ist nicht nur von der Größe und der Innenarchitektur her beeindruckend, seine Akustik gehört zu den besten weltweit. Es ist, als würde man in einem Geigenkasten sitzen, so einzigartig höre sich die Musik hier an, beschreibt Jörg Birhance, Leiter der Meisterklassen, das Gefühl, das man beim Zuhören hat. Und auch die junge Geigenvirtuosin Alma Deutscher soll von der Akustik begeistert gewesen sein. Ab März beginnt die Konzertsaison; den Anfang macht, wie könnte es anders sein, die Strauss Capelle. Natürlich das Original, das in der rot-weißen Uniform die 200-jährige musikalische Tradition der Walzer-Dynastie weiterführt.

Quelle: ntv.de

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