Legaler SchwangerschaftsabbruchFrauen in Italien suchen verzweifelt Ärzte

1978 verabschiedete Italien ein Gesetz, das die Abtreibung legalisierte. Vierzig Jahre später wird es für Frauen immer schwerer, davon Gebrauch zu machen. In manchen Regionen weigern sich 90 Prozent der Ärzte, den Eingriff vorzunehmen.
"Ein französischer Kollege fragte mich einmal: Wie kann es sein, dass nur 20 Prozent der Italiener ein Verhütungsmittel verwenden, die Geburtenrate fällt und Schwangerschaftsunterbrechungen immer weniger werden", erzählt Daniela Fantini, eine temperamentvolle Frauenärztin, die einen mit einem warmen Lächeln empfängt. "Das sei leicht zu erklären, erwiderte ich ihm. Die beliebteste Verhütungsmethode der Männer hierzulande sei nämlich folgender Satz: Schatz, lass das meine Sache sein, will heißen: der Coitus interruptus". Doktor Fantini arbeitet im Cemp, dem "Zentrum für eheliche und voreheliche Erziehung" – "das ist noch der ursprüngliche Name", fährt Fantini schmunzelnd fort.
Das Cemp befindet sich im Herzen Mailands, in einem Kellergeschoss, nicht weit vom Gerichtshof entfernt. Eine Anmerkung, die belanglos erscheinen mag, doch als diese Beratungsstelle 1966 eröffnet wurde, waren der Schwangerschaftsabbruch noch verboten und die Beratung über Verhütungsmittel auch nicht gern gesehen. "Damals sahen sich die Ärzte, die hier arbeiteten, immer wieder mit gerichtlichen Vorladungen konfrontiert" fährt die Mittsechzigerin fort. Sie selber sei aber erst später hinzugestoßen. Mittlerweile ist sie die Leiterin des Cemp.
Immer mehr Verweigerer
Es war der 22. Mai 1978, als das Parlament in Rom ein Gesetzt verabschiedete, das die Abtreibung legalisierte. An diesen Jahrestag erinnerten vor ein paar Tagen Kundgebungen im ganzen Land. Damals, vor 40 Jahren, war Italien noch fest in den Händen der Christdemokratischen-Partei. Priester drohten Frauen, die abtreiben würden, mit ewiger Verbannung. Trotzdem stimmten drei Jahre später, bei einer Volksabstimmung, 88,4 Prozent gegen die Abschaffung des Gesetzes. Auch die Befürchtung, die Bevölkerung würde nun diese als Verhütungsmittel verwenden, erwies sich als falsch. Die Zahl der Schwangerschaftsunterbrechungen ging stetig zurück. 1982 waren es 284.000, 2016 nur noch 85.000.
Doch trotz dieser positiven Entwicklung sind es immer mehr "Obiettori di coscienza", Gynäkologen und Gynäkologinnen, die sich aus Gewissensgründen weigern, eine Abtreibung durchzuführen. Das Gesundheitsministerium spricht von 70 Prozent der Ärzteschaft im Jahr 2016. Wobei es natürlich regionale Unterschiede gibt. Im süditalienischen Molise sind es sogar 93,3 Prozent. Besonders verblüffend sind aber die 92,9 Prozent der Südtiroler Provinz Bozen.
Immer weniger Krankenhäuser
Aber warum weigern sich immer mehr Ärzte? "Ich kann mich noch gut an die Frauen erinnern, die illegal bei einer 'Mammana', so nannte man sie, abgetrieben hatten und dann zu uns ins Krankenhaus kamen. Manche schwebten sogar in Lebensgefahr. Davon hat die junge Generation null Ahnung", ereifert sich Fantini. "Natürlich ist es leichter mit dem Strom zu schwimmen. Wir waren die 68er-Generation, die Gesellschaft war offener, die meisten fügten sich einfach dem Mainstream."
Inzwischen sei das anders "Mit der Offenheit ist es mittlerweile aus. Dafür hat, zum Beispiel in der Lombardei auch die katholische Organisation Comunione e Liberazione gesorgt, die stark in der regionalen Verwaltung vernetzt ist." Frei zu entscheiden wird für Frauen in Italien immer schwieriger. Denn das Gesetz legt ausdrücklich fest, dass kein Arzt zu dem Eingriff gezwungen werden darf. Für viele Frauen, besonders aus dem Süden, heißt es also, nach einem Krankenhaus zu suchen, in einer anderen Provinz, wenn nicht sogar in einer anderen Region.
Und schließlich kommt noch ein rein wirtschaftlicher Faktor ins Spiel: Ein Schwangerschaftsabbruch kostet die Patientin nichts, das Krankenhaus aber 2000 Euro. "Und Geld ist ja überall knapp. Verhütungsmittel werden von der Krankenkasse nicht bezahlt und schon gar nicht im Laufe einer Abbruchs eingesetzt. Wobei man gerade so eine weitere Schwangerschaft und einen erneuten Eingriff verhüten könnte". Das wäre besonders bei den jungen Frauen wichtig, gibt Fantini zu bedenken, denn 42,5 Prozent der Frauen unter 25 Jahren würden nicht verhüten. Auch eine flächendeckende Aufklärung über die möglichen Verhütungsmethoden, und zwar bei den Schulen angefangen wäre ihrer Meinung nach dringend notwendig.