Das wird nicht gut enden Gaza-Haltung von Nan Goldin überschattet Ausstellung
22.11.2024, 15:00 Uhr Artikel anhören
Nan Goldins Ausstellung ist seit Jahren geplant.
(Foto: IMAGO/Everett Collection)
Eine Berliner Ausstellung würdigt das Lebenswerk der renommierten Künstlerin Nan Goldin. Doch vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte über die politische Haltung der US-Fotografin im Nahost-Konflikt.
Nan Goldin zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Die Neue Nationalgalerie in Berlin widmet der US-Fotografin nun eine große Retrospektive mit dem Titel "This Will Not End Well". Doch noch vor der Eröffnung wird die Schau von Diskussionen über die politische Haltung Goldins im Nahost-Konflikt überschattet.
Anlässlich der Ausstellung plant das Museum am Wochenende das Symposium "Kunst und Aktivismus in Zeiten der Polarisierung. Diskussionsraum zum Nahostkonflikt". Goldin wurde dazu eingeladen, will aber nicht teilnehmen. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich die Amerikanerin, die selbst aus einer jüdischen Familie stammt, mehrmals antiisraelisch positioniert.
Sie unterzeichnete etwa einen Offenen Brief des US-Magazins "Artforum", in dem Israel für seine Reaktion auf den Hamas-Überfall scharf kritisiert wird. Die Hamas und deren Geiseln wurden erst nachträglich erwähnt. Zudem wird Goldin eine Nähe zur umstrittenen Israel-Boykottbewegung BDS nachgesagt.
"Teilen nicht ihre Meinung"
Unter einem Aufruf der obskuren Initiative "Strike Germany" auf Instagram, das Symposium zu boykottieren, hat sich das Studio der Filmemacherin von dem Gesprächsformat klar distanziert. "Es ist wichtig, festzuhalten, dass wir die Meinungsfreiheit respektieren und jeder Mensch ein Recht zu einer freien Meinungsäußerung hat", sagt Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie. Doch: "Wir stimmen Nan Goldins Aussagen zum Nahost-Konflikt nicht zu. Es war auch Nan Goldin im Rahmen dieser Ausstellungsvorbereitung klar, dass wir sie als Künstlerin sehr schätzen, aber nicht ihre Meinung teilen."

Fredrik Liew (l-r), Chefkurator des Moderna Museet in Stockholm und Kurator der Ausstellung, Ausstellungs-Architektin Hala Wardé und Klaus Biesenbach, Direktor Neue Nationalgalerie, in der Neuen Nationalgalerie, wo die Fotos von Nan Goldin als Slide-Show gezeigt werden.
(Foto: dpa)
Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) erklärt in einem Statement, die Meinungen Goldins, die sie im Rahmen der öffentlichen Debatte äußere, machten sich weder die Stiftung noch das Museum zu eigen. Zudem verwies Biesenbach auf den zeitlichen Vorlauf der Schau, die als internationale Tournee angelegt ist. Sie wurde im Oktober 2022 in Stockholm eröffnet, war danach in Amsterdam zu sehen und ist nun in Berlin angekommen. Weitere Stopps sind Mailand und Paris. "Dass die Ausstellung kommen soll, ist bereits vor fast drei Jahren entschieden worden", sagte Biesenbach. Goldins Aussagen zum Nahost-Konflikt werden in der Schau nicht thematisiert. Sie zeige eine Retrospektive zu ihrem Lebenswerk.
Die 1953 geborene Künstlerin schuf mit Fotos, die in einer Art Schnappschuss-Ästhetik ihr eigenes unkonventionelles Leben und das ihres Umfelds dokumentierten, eine neue Ästhetik. Ihre intimen Porträts thematisieren immer wieder Drogen, Sex, Gewalt und Tod. Bekannt ist auch ihr politischer Aktivismus.
So kämpfte Goldin etwa gegen die US-amerikanische Familie Sackler - die Eigentümer eines Pharma-Unternehmens, das mit für die Opioid-Krise in den USA verantwortlich gemacht wird. Beim Filmfestival Venedig 2022 gewann eine Doku über Goldin mit dem Titel "All the Beauty and the Bloodshed" den Hauptpreis.
"Wir haben Nan Goldin eingeladen, weil sie eine hervorragende, vielleicht eine der wichtigsten lebenden Künstlerinnen ist", so Biesenbach. Zudem habe sie einen Teil ihres Lebens in Berlin verbracht und somit einen großen Bezug zur Hauptstadt. "Es war uns wichtig, dass diese Ausstellung hier ihren Platz hat."
Polemische Debatten
Am Wochenende ist das Symposium geplant, es wird von der Politologin Saba-Nur Cheema und dem Historiker Meron Mendel kuratiert. Das jüdisch-muslimische Paar setzt sich immer wieder dafür ein, in den Dialog zu treten. Die Debatten in der Kunst- und Kulturwelt über den Nahost-Konflikt, gerade in Deutschland, seien bislang sehr polemisch verlaufen, sagte Mendel, Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank. Man brauche aber eine "gesunde Debattenkultur, um solche Konflikte in eine diskursive Form zu bringen".
Das Symposium sei eine einzigartige Möglichkeit, die verschiedenen Positionen in einem sachlichen Rahmen miteinander auszutauschen, nicht unbedingt mit dem Ziel, am Ende einen Konsens zu finden.
Cheema und Mendel wollen auch die gegensätzlichen Positionen zu Wort kommen lassen. Darunter Menschen, die die Boykottbewegung gegen Israel befürworten, aber auch Teilnehmer, die dieser kritisch gegenüberstehen, wie der Historiker sagte. Das Symposium sei längst ausgebucht. Auch Biesenbach betonte, er halte es für wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem man redet, sich friedlich austauscht und nicht kämpft.
Der Account "nangoldinstudio" schrieb unter dem Boykott-Aufruf von "Strike Germany": "Für mich ist klar, dass das Museum dieses Symposium prophylaktisch organisiert hat, um seine Position in der deutschen Diskussion zu sichern - mit anderen Worten, um zu beweisen, dass sie meine Politik nicht unterstützen."
Die Künstlerin sei mehrfach eingeladen worden, beim Symposium eine prominente Rolle zu übernehmen, sagte Mendel. "Wir finden ihre Positionen wichtig für die Debatte." Auch Biesenbach erläuterte, er habe Goldin über die Veranstaltung informiert, aber nicht um Erlaubnis gebeten. "Ich hätte mir gewünscht, dass Nan Goldin am Symposium teilnimmt."
"Massiver Druck" auf Podiumsgäste
Einige Podiumsgäste hatten ihre Teilnahme abgesagt, darunter die Künstlerin Hito Steyerl. Dennoch halten Cheema und Mendel weiter an dem Format fest. "Wir wissen, dass es in den vergangenen Tagen massiven Druck auf Podiumsgäste gab, ihre Zusage zurückzunehmen", sagte Mendel.
Die Mehrheit der Teilnehmenden sei jedoch weiter bereit, miteinander zu sprechen, darunter etwa Palästinenser und Israelis. Man werde am Sonntag "mit denjenigen diskutieren, die diskutieren wollen und mit denjenigen, die bereit sind, ihre Meinung vorzutragen und eine Gegenmeinung auszuhalten."
Quelle: ntv.de, Sabrina Szameitat, dpa