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Kurz vor offizieller Einweihung Gericht stoppt vorerst Umbenennung der Berliner Mohrenstraße

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Die Schilder für den neuen Straßennamen hängen teils bereits.

Die Schilder für den neuen Straßennamen hängen teils bereits.

(Foto: picture alliance/dpa)

Seit Jahren will der Berliner Bezirk Mitte die Mohrenstraße umbenennen. Etliche Gerichtsverfahren übersteht das Ansinnen. Doch kurz vor der offiziellen Umbenennung am Wochenende stoppt ein Eilantrag das Vorhaben.

Die jahrelange kontroverse Debatte um die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße ist um eine überraschende Wendung reicher: Praktisch in letzter Minute entschied das Verwaltungsgericht, dass die Straße am Samstag nicht wie geplant in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt werden darf. Die Richter gaben damit einem Eilantrag eines Anwohners statt, wie ein Sprecher mitteilte. Zuvor hatte die "Berliner Zeitung" berichtet.

Zur Begründung verwies das Gericht auf eine seit Längerem anhängige Klage des Betreffenden gegen das Vorgehen des Berliner Bezirkes Mitte, über die noch nicht entschieden sei. Das habe aufschiebende Wirkung - bis zum Abschluss des Klageverfahrens kann die Straße also keinen neuen Namen bekommen. Auch bestehe keine besondere Dringlichkeit, die Straße umzubenennen, so das Gericht.

Der Bezirk Mitte kündigte am Nachmittag an, beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen. Wann sich das OVG damit beschäftigt, ist bisher offen. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) stoppten einstweilen die ebenfalls am Samstag geplante Umbenennung des U-Bahnhofs Mohrenstraße, wie eine Sprecherin mitteilte.

Der Bezirk und mehrere Initiativen wollen die Mohrenstraße schon seit Jahren umbenennen, weil sie den Namen wegen des Begriffs "Mohr" für problematisch oder rassistisch halten. Der geplante neue Name geht auf den afrikanischstämmigen Gelehrten Anton Wilhelm Amo zurück, der im 18. Jahrhundert in Berlin wirkte. Er gilt als erster bekannter schwarzer Philosoph und Jurist an deutschen Universitäten.

Umbenennung schon vor Jahren verkündet

Erste Straßenschilder mit Amos Namen hängen bereits an einigen Ecken, selbst am Freitag brachten Handwerker weitere an. Eigentlich sollten sie an diesem Samstag - dem Internationalen Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und seine Abschaffung - symbolisch enthüllt und die Straße damit offiziell umbenannt werden.

Wie der juristische Streit auch ausgeht: Initiativen, die sich stark dafür eingesetzt hatten, möchten in jedem Fall eine Versammlung abhalten, wie Tahir Della von Bündnis Schwarze Menschen in Deutschland sagte. "Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die tagtäglich von Rassismus betroffen sind", sagte er zum anhaltenden juristischen Widerstand von Anwohnern.

Die Vorgeschichte ist lang. Bereits am 4. Mai 2021 wurde nach einem Beschluss des Bezirksparlamentes in Berlin-Mitte eine sogenannte Allgemeinverfügung zur Umbenennung im Amtsblatt bekannt gemacht. Mehrere Anwohner klagten dagegen, der juristische Streit dauert immer noch an.

Im Juli machte dann das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vermeintlich endgültig den Weg frei für den Namenswechsel - das dachten bis heute jedenfalls die meisten. Das Gericht bestätigte seinerzeit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes als Vorinstanz, das eine Anwohnerklage gegen die Umbenennung abgelehnt hatte. (Az. OVG 1 N 59/23)

Aufgeschoben wohl nicht aufgehoben

Dabei ging es musterhaft um eine einzelne Klage. Sechs weitere, praktisch inhaltsgleiche Klagen wurden - wie es im Juristendeutsch heißt - ruhend gestellt. Das Bezirksamt Mitte ordnete wenig später den Vollzug der Umbenennung an. Denn nach Einschätzung der Behörde war auszuschließen, "dass bei inhaltsgleichen Verfahren unterschiedliche Urteile ergehen können".

In seinem aktuellen Beschluss stellt das Verwaltungsgericht nun klar, dass der Kammer keine schriftliche oder auf andere Weise nachvollziehbare Vereinbarung zur Ruhendstellung anderer Klagen vorliege. Der Kläger sei deshalb nicht verpflichtet, seine Klage zurückzunehmen - über sie müsse also gerichtlich entschieden werden.

Gleichzeitig machen die Richter deutlich, dass die Straßenumbenennung aufgeschoben, aber wohl nicht aufgehoben ist. Denn es sei "in hohem Maße unwahrscheinlich", dass die fragliche Anwohnerklage Erfolg haben werde.

Die klagenden Anwohner hatten argumentiert, die Namensgebung für die Mohrenstraße vor 300 Jahren sei nicht rassistisch, sondern wertschätzend gemeint. Viele historische Straßennamen hätten mehrere Seiten, aber sie seien Teil der Geschichte der Stadt und man müsse sie erklären.

Ähnliche Diskussionen gibt und gab es auch bezüglich anderer Straßen in der Stadt. In den vergangenen Jahren wurden nach teils heftigen Debatten mehrere Straßen oder Plätze wegen kolonialistischen, rassistischen, antisemitischen oder NS-Bezügen der Namensgeber umbenannt.

Quelle: ntv.de, lme/dpa

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