US-Gericht hebt Mord-Urteil auf Amerikanerin sitzt 43 Jahre unschuldig im Gefängnis
16.06.2024, 10:37 Uhr Artikel anhören
Die inzwischen 63-Jährige verbrachte den Großteil ihres Lebens im Gefängnis - unschuldig, wie es inzwischen auch ein Richter bestätigt.
(Foto: AP)
Es ist ein krasses Fehlurteil: 1980 wird die psychisch kranke Sandra Hemme zu lebenslanger Haft verurteilt, nun stellt ein Gericht in Missouri fest: zu Unrecht. Dabei saß sie offenbar so lange unschuldig in einem US-Gefängnis wie keine Frau vor ihr.
Ein Bezirksrichter hat das Urteil wegen Mordes gegen eine Frau in Missouri aufgehoben, die 43 Jahre in Haft saß. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, muss Sandra Hemme innerhalb von 30 Tagen freigelassen werden - es sei denn, die Staatsanwaltschaft beschließt, sie erneut vor Gericht zu stellen. Laut Richter Ryan Horsman hatte die Staatsanwaltschaft bei ihrer Verurteilung entlastendes Material unterdrückt.
Hemme war 1980 wegen der Ermordung einer Bibliotheksangestellten in St. Joseph zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die damals 20-Jährige, die sich in psychiatrischer Behandlung befand, hatte sich in wirren Aussagen bei der Polizei selbst belastet. Um der Todesstrafe zu entgehen, hatte sie sich des Mordes schuldig bekannt.
Dabei war sie laut ihren Anwälten in Behandlung wegen akustischer Halluzinationen, Realitätsverlust und Drogenkonsum, als sie ins Visier der Polizei geriet. In stundenlangen Interviews machte Hemme widersprüchliche Aussagen über den Mord, dabei stand sie unter dem Einfluss antipsychotischer Medikamente. "An einigen Stellen war sie so stark medikamentös eingestellt, dass sie nicht einmal in der Lage war, ihren Kopf hochzuhalten und an einen Stuhl gefesselt war", schrieben ihre Anwälte. Ein pensionierter Kriminalbeamter der Polizei von St. Joseph sagte aus, dass er eine der Befragungen abbrach, weil "sie nicht ganz bei Sinnen zu sein schien".
Die Polizei "nutzte ihre Geisteskrankheit aus und zwang sie, falsche Aussagen zu machen, während sie sediert war und mit antipsychotischen Medikamenten behandelt wurde", so Hemmes Anwälte. Ihnen zufolge unterdrückten die Behörden damals Beweise, die einen damals 22-jährigen Polizeibeamten, Michael Holman, belasteten. Dieser soll versucht haben, die Kreditkarte des Opfers zu benutzen. Holmans Wagen wurde außerdem in der Nähe des Tatorts gesichtet, und ein Paar Ohrringe des Opfers befanden sich in seinem Besitz. Der Polizist selbst, gegen den später wegen Betrugs und Einbrüchen ermittelt wurde und der einige Zeit im Gefängnis verbrachte, starb 2015.
"Keinerlei Beweise"
In dem Urteil vom Freitag schrieb Richter Horsman, dass "keinerlei Beweise außerhalb der unzuverlässigen Aussagen von Frau Hemme sie mit dem Verbrechen in Verbindung bringen". Er fügte hinzu, dass diese Aussagen "gemacht wurden, während sie sich in einer psychiatrischen Krise befand und körperliche Schmerzen hatte".
Der Jurist Larry Harman, der Hemme dabei half, dass ihr ursprüngliches Schuldbekenntnis aufgehoben wurde, hatte sich in einer Petition von ihrer Unschuld überzeugt erklärt. "Das System", sagte er, "hat sie bei jeder Gelegenheit im Stich gelassen". Laut ihren Anwälten saß keine Frau so lange unschuldig in US-Haft wie Hemme. Sie stellten einen Antrag auf sofortige Freilassung.
Quelle: ntv.de, ghö