Saudis bezichtigen Iraner Mekka-Unglück schürt alten Streit
25.09.2015, 13:04 Uhr
Einen Tag nach dem Unglück geht es nun um die Schuldfrage.
(Foto: dpa)
717 Menschen sterben bei einer Massenpanik bei Mekka, darunter mehr als 130 Iraner. Das führt zu neuen Verstimmungen mit dem Rivalen Saudi-Arabien. Die saudische Presse macht iranische Pilger verantwortlich. Überlebende schildern etwas anderes.
Die saudische Presse macht iranische Pilger für die Massenpanik bei der islamischen Wallfahrt in Mekka mit mehr als 700 Toten verantwortlich. Eine große Gruppe von Iranern sei entgegen der Vorgaben in eine falsche Richtung gelaufen und dort mit anderen Pilgern zusammengestoßen, zitiert die Nachrichtenseite Al-Sabq nicht näher genannte Augenzeugen.
Irans oberster Führer machte dagegen Saudi-Arabien für die Massenpanik verantwortlich. "Schlechte Koordinierung und unüberlegtes Handeln haben diese Katastrophe verursacht", sagte Ajatollah Ali Chamenei. Daher sollte die saudische Regierung dafür auch die Verantwortung übernehmen, fügte er hinzu. Es kam auch zu Demonstrationen nach dem Freitagsgebet in Teheran. Geplant waren auch Proteste vor der saudischen Botschaft. Präsident Hassan Ruhani rief drei Trauertage aus.
Das sunnitische Saudi-Arabien und der schiitische Iran sind Erzrivalen. Unter den 717 Toten sind mindestens 131 iranische Pilger. Weitere 85 Iraner seien verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich, meldete die Nachrichtenagentur ISNA unter Berufung auf die iranische Wallfahrts-Organisation. Mehr als zehn iranische Pilger würden noch vermisst.
Der saudische Gesundheitsminister Khaled al-Falih hatte Pilgern direkt nach dem Unglück vorgeworfen, sie hätten zeitliche Vorgaben missachtet. Um den Massenstrom der Gläubigen in Mekka zu steuern, gibt es für Pilgergruppen einen festen Zeitplan für die fünftägige Wallfahrt.
Zum Zeitpunkt der Panik herrschten 46 Grad
Überlebende hingegen erhoben Vorwürfe gegen die Behörden. "Es gab nicht genügend Raum, um sich zu bewegen", schilderte ein nigerianischer Pilger. Er selbst überlebte, weil er an der Spitze der Prozession in Mina nahe Mekka gelaufen war. Ein Libyer berichtete, die Polizei habe vor der Massenpanik alle Zuwege zum Zeltlager der Pilger bis auf einen geschlossen. Zudem hätten die zur Absicherung der Pilgerfahrt eingesetzten Polizisten einen überforderten Eindruck gemacht: "Sie kannten sich in der Gegend überhaupt nicht aus." Zur großen Zahl an Todesopfern dürfte auch die große Hitze mit rund 46 Grad Celsius beigetragen haben.
Irfan al-Alawi von der Stiftung zur Erforschung des islamischen Erbes in Mekka kritisierte, die Polizisten seien nicht ausreichend vorbereitet und hätten keinerlei Sprachkenntnisse, um mit denen aus aller Welt kommenden hunderttausenden Pilgern zu kommunizieren. "Sie haben keine Ahnung, wie sie mit den Leuten umgehen sollen", sagte al-Alawi. "Die Menschenmenge wird nicht gesteuert."
Der libanesischen Zeitung Al-Diyar zufolge könnte auch die Anwesenheit des Konvois von König Salman von Saudi-Arabien zu der Richtungsänderung der Pilger beigetragen haben. Demnach sei der König ebenfalls auf dem Weg zur Pilgerstätte in Mina gewesen. Die saudischen Behörden würden Salmans Anwesenheit nahe des Unglücksortes nun unter den Teppich kehren.
Die Behörden sind noch immer dabei, die Toten zu zählen. Neben den mehr als 130 Iranern kamen weitere Opfer aus Indien, Indonesien, der Türkei und Pakistan. Dem Auswärtigen Amt in Berlin zufolge gibt es keine Hinweise auf deutsche Opfer.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP