Panorama

Soziale Hängematte widerlegt Menschen mit Grundeinkommen arbeiten weiter und spenden mehr

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
grundeinkommen.JPG

Eine Langzeitstudie soll die Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens wissenschaftlich erforschen. Nun liegen die Ergebnisse vor. Den Forschenden zufolge werden damit Vorurteile widerlegt. Denn ein Rückgang der Erwerbstätigkeit ist nicht nachweisbar.

Menschen, die ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, reduzieren deshalb nicht ihre Arbeitszeit, leben psychisch gesünder und teilen ihr Geld häufig mit anderen. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Langzeituntersuchung des Vereins Mein Grundeinkommen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Für die Studie hatten 107 Menschen seit Juni 2021 über drei Jahre hinweg monatlich 1200 Euro bekommen. Das Geld für das Projekt stammte aus Spenden. Die Gruppe bestand aus Menschen in Einzelpersonenhaushalten im Alter von 21 bis 40 Jahren mit einem Nettoeinkommen zwischen 1100 und 2600 Euro. Die Teilnehmenden sowie fast 1600 Menschen in einer Vergleichsgruppe wurden für die Untersuchung regelmäßig zu ihrer persönlichen Situation befragt.

Jürgen Schrupp, der die Forschung beim DIW begleitete, fasste seine Haupterkenntnis so zusammen: "Unsere Studie entkräftet das gängige Stereotyp, dass Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen in eine soziale Hängematte abgleiten würden." Bei einer Laufzeit von drei Jahren sei dies nicht eingetreten.

Sparen und Teilen

Die Geldempfänger und -empfängerinnen hätten sich weder vermehrt aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen, noch ihre Arbeitsstunden "signifikant" reduziert. Trotzdem habe es den Forschenden zufolge deutliche Effekte auf die berufliche Situation gegeben. So wechselten in den ersten eineinhalb Jahren deutlich mehr Grundeinkommensbezieher den Job. Auch entschieden sich mehr für eine Weiterbildung oder ein Studium. Die finanzielle Sicherheit eröffnete den Beteiligten offenbar neue Handlungsspielräume.

Das zusätzliche Geld wird vor allem angespart und zu Konsumzwecken ausgegeben, erklärten Frederik Schwerter von der Frankfurt School of Finance & Management. Insgesamt legten die Geldempfänger im Schnitt etwa doppelt so viel Geld zurück wie die Vergleichsgruppe, die kein Geld erhielt. Demnach werde mehr als ein Drittel des Grundeinkommens gespart. Diese Ergebnisse legten nahe, dass zusätzliches Geld genutzt werde, um einen Teil der gewonnenen finanziellen Freiheit in die Zukunft zu verschieben, erklärte das DIW.

Mit Blick auf die Verwendung des zusätzlichen Geldes zeigte sich, dass bei den Grundeinkommensempfängern die Konsumausgaben vor allem für Reisen deutlich anstiegen. Besonders zu Studienbeginn erfüllten sich die Menschen mit Grundeinkommen "zuerst lang gehegte Wünsche", erklärte der Verein Mein Grundeinkommen. "Später sparen und investieren allerdings viele."

Demnach sind die Grundeinkommensempfänger freigebiger als Menschen ohne Grundeinkommen: Viele von ihnen spendeten den Befragungen nach mehr Geld oder unterstützten Familie und Freunde. Außerdem verbrachten sie mehr Zeit mit Freunden. Das DIW erklärt dies zumindest teilweise damit, dass soziale Aktivitäten oft mit Ausgaben einhergehen - "sei es für Besuche in Gaststätten, Kinotickets oder gemeinsame Freizeitgestaltung".

Vielleicht macht Geld doch glücklich?

Die Forschenden heben zudem hervor, dass sich das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit der Grundeinkommensbezieher merklich verbesserten. Die "Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit, dem Schlaf und der Freizeit" sei deutlich höher als in der Vergleichsgruppe. "Bemerkenswert" sei dabei, dass der Effekt "über den gesamten Studienverlauf sehr stabil blieb und es nicht zu Gewöhnungseffekten kam", so die Studienautoren und -autorinnen.

Susann Fiedler, die die Studie an der Wirtschaftsuniversität Wien begleitete, nannte als überraschendes Ergebnis, dass sich durch das Grundeinkommen keine signifikanten Veränderungen in den politischen Einstellungen der Teilnehmenden zeigte. "Das Grundeinkommen verändert die Menschen nicht in dem Sinne, dass sie jetzt plötzlich andere Präferenzen und Einstellungen haben, sondern es verändert ihren Handlungsspielraum und damit ihr Verhalten."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen