Sturm statt Stille - und Schnee? Norden erlebt fieseste Vorweihnachtswoche seit Langem
18.12.2023, 15:11 Uhr Artikel anhören
Gemütlicher Spaziergang an der Ostsee? Der könnte in den kommenden Tagen ins Wasser fallen.
(Foto: dpa)
Die Wettertrends bis zum Wochenende sehen zum Teil übel aus. Und auch an Weihnachten bleibt es alles andere als ruhig. Grund ist ein Orkantief über Nordeuropa und der Ostsee, das auch Folgen bis nach Deutschland hat. Es drohen Sturm- und Orkanböen, außerdem Sturmfluten an der Nordsee sowie Dauerregen und eine erneute Verschärfung der Hochwasserlage. Unterm Strich erwartet uns damit wohl die wetterintensivste Vorweihnachtswoche der vergangenen Jahrzehnte.
ntv.de: Die Vorweihnachtswoche hat begonnen. Unter welchen Vorzeichen geht es Richtung Fest?
Björn Alexander: Vor allem bei den Nordlichtern drohen die intensivsten Vorweihnachtstage der vergangenen Jahre, vielleicht sogar der vergangenen Jahrzehnte. Auch in der Mitte und im Süden werden die Wetterspitzen heftiger. Zuvor sorgt Hoch "Fiona" dort aber noch für entspanntere Aussichten.
Warum legt unser Wetter jetzt so zu?
Derzeit verlagert sich das Sturm-Karussell rund um Tief "Xavi" von den Seeregionen rund um Island nach Skandinavien. In den Staulagen des Skandinavischen Gebirges gibt es schon mal teilweise unwetterartige Schneefälle sowie entsprechende Verwehungen durch den stürmischen Wind. Dem sich verstärkenden Skandinavien-Tief steht zudem ein großer Antagonist gegenüber - das sehr kräftige Azorenhoch. Das ist eine Gemengelage, die die Druckunterschiede nochmals erhöht und die Sturmgefahr großflächig ansteigen lässt. Dazwischen weht in der höheren Atmosphäre außerdem die stramme wettersteuernde Strömung, der sogenannte Jetstream, der zum Teil genau über Deutschland donnern wird und die Tiefs nochmals intensiviert.
Was sind die konkreten Folgen?
Einerseits berechnet ein Teil der Wettercomputer am Donnerstag über der Ostsee einen Kerndruck von an die 950 Hektopascal (hPa). Damit kommen wir in den Bereich der Luftdruck-Rekorde. Bezogen auf Deutschland und die Ostseeanrainer liegen die - reduziert auf Meeresniveau - beispielsweise in Litauen bei 951,6 hPa, in Polen bei 965,2 hPa und bei uns in Deutschland bei 954,4 hPa. Andererseits drohen dadurch auch hierzulande Sturm- bis Orkanböen mit ansteigender Sturmflutgefahr sowie eine erneute Verschärfung der Hochwasserlage durch den teils ergiebigen Regen.
Dann schauen wir auf die Details: Wie ist der Sturm-Fahrplan?
Von Norden her nimmt der Wind in den nächsten Tagen sukzessive zu. Insbesondere am Donnerstag und Freitag mit schweren Sturm- bis Orkanböen, die mit um oder über 100 km/h selbst im Flach- und Binnenland nicht ganz auszuschließen sind.
Mit welchen Gefahren?
Da unsere Wälder jetzt nicht mehr belaubt sind und dem Wind keine allzu große Angriffsfläche mehr bieten, richtet sich der Fokus besonders auf die Weihnachtsmärkte. Auch wenn die Details noch unsicher sind: Das Schadenspotenzial ist groß, weshalb wir ab der Wochenmitte die Windwarnungen verstärkt im Auge behalten sollten. Am heftigsten stürmt es aber natürlich auf den Bergen und an der See, wo zudem Sturmfluten drohen. Am Donnerstag ist die Lage noch glimpflich, während durch den Nordwestwind an der Nordsee am Freitag, dem kalendarischen Winteranfang, sogar eine schwere Sturmflut möglich ist.
Stichwort Hochwasser: Welche Regionen werden betroffen sein?
Im Vergleich zur Lage in der vergangenen Woche, als auch der Süden durch die Schneeschmelze in Mitleidenschaft gezogen war, blicken wir jetzt bevorzugt auf die Nordhälfte unseres Landes. Hier ist die Hochwasser-Situation teils noch angespannt, die Böden sind gesättigt und somit wird der bevorstehende Regen komplett über die Bäche und Flüsse abfließen.
Mit wie viel Regen müssen die betroffenen Regionen rechnen?
Je nach Wettermodell sind bis einschließlich Samstag verbreitet Regenmengen von 30 bis 60 Litern pro Quadratmeter denkbar - in Spitzen allerdings auch deutlich mehr. Der Schwerpunkt wird dabei von den Wettercomputern teilweise bei um oder über 100 Liter pro Quadratmeter in den Staulagen der Mittelgebirge gesetzt. Zum Vergleich: Im landesweiten Schnitt bringt der gesamte Dezember für gewöhnlich um die 60 Liter je Quadratmeter.
Wird das Wetter an Weihnachten denn ruhigere und vielleicht sogar weiße Töne anschlagen?
Unterm Strich bleibt es bei wechselhaften und windigen Prognosen. Allerdings sind die Einzelheiten noch enorm unsicher. Selbst bei den Temperatur-Vorhersagen gibt es derartig große Unterschiede, wie wir sie selten erleben. Denn mit dem bevorstehenden Sturmereignis werden die Weichen fürs Weihnachtswetter tatsächlich erst gestellt.
Wie weit liegen die Vorhersagen denn auseinander?
Wenn wir beispielsweise auf den Samstag schauen, dann liegen die Extreme bei den Berechnungen zwischen einem erneuten Sturm in sehr milder Luft, sprich im Warmsektor eines neuen Tiefs. Auf der anderen Seite sieht ein Teil der Wettercomputer Chancen für Polarluft mit Schnee bis ganz runter, sodass regional auch die Winterträume noch wahr werden können. Immerhin wäre das Kriterium der Weißen Weihnacht ja auch schon erfüllt, wenn an einem der drei Tage Schnee liegen würde. Damit geht der Prognose-Zeitraum über eine Woche. In dieser turbulenten Entwicklung ist das eine gefühlte Ewigkeit mit reichlich Überraschungspotenzial.
Quelle: ntv.de