Panorama

Richterin sieht mildernde UmständePistorius muss sechs Jahre ins Gefängnis

06.07.2016, 10:34 Uhr
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Pistorius verfolgte die Ausführungen der Richterin weitgehend regungslos. (Foto: dpa)

Für den Tod von Reeva Steenkamp muss Oscar Pistorius noch einmal sechs Jahre Haft verbüßen. Richterin Masipa bleibt damit deutlich unter der Mindeststrafe von 15 Jahren. Ihr Urteil begründet sie mit mehr mildernden als belastenden Faktoren.

Der ehemalige Spitzensportler Oscar Pistorius wird zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Das hat ein Gericht in Pretoria in der zweiten Instanz entschieden. Pistorius hatte im Februar 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp durch eine geschlossene Toilettentür erschossen. Er spricht von einem Versehen. Das Gericht wertete die Tat jedoch als "Mord", was im deutschen Rechtssystem dem Totschlag entspricht. Darauf stehen in Südafrika üblicherweise mindestens 15 Jahre Haft.

Richterin Thokozile Masipa sah jedoch mildernde Umstände, die es rechtfertigen, diese Mindeststrafe zu reduzieren. Auch wenn Pistorius als Goldmedaillengewinner und Leistungssportler wahrgenommen werde, müsse man berücksichtigen, dass er zum Zeitpunkt der Tat nachts um drei voller Angst vor einem Eindringling und ohne Prothesen war. Der Angeklagte habe nach der Tat "unverzüglich Schritte unternommen", um Steenkamps Leben zu retten.

Außerdem betonte Masipa, dass Pistorius die Tat ihrer Meinung nach aufrichtig bereue. Er habe sich mehrfach darum bemüht, die Familie von Steenkamp zu treffen und sein Bedauern auszudrücken. Zudem habe er seit der Tat alle Waffen verkauft und immer wieder betont, dass er nie wieder eine Waffe anfassen werde.

"Ein gebrochener Mann"

Die Richterin betonte, dass nichts das Leid der Steenkamp-Familie lindern könne. Nichts, was das Gericht entscheide, könne Reeva Steenkamps Leben zurückbringen. Zudem gehe es nicht darum, die öffentliche Meinung zu befriedigen, sondern darum, die angemessene Strafe für ein schweres Verbrechen zu finden. Pistorius habe bei seiner Tat eine tödliche Waffe mit einer hochwertigen Munition verwendet. Er habe viermal gefeuert, wohl wissend, dass jemand in diesem Badezimmer war, der in der Enge des Raumes kaum Fluchtmöglichkeiten hatte. Zu Pistorius' Lasten wertete Masipa auch, dass er keinen Warnschuss abgegeben hatte.

Die Richterin betonte in ihren Ausführungen, Pistorius habe bereits zwölf Monate seiner vorherigen Strafe verbüßt. Er habe sich dabei als guter Kandidat für eine Rehabilitation erwiesen. Sein Leben werde jedoch nie mehr das gleiche sein. "Er ist ein gefallener Held, er ist ein gebrochener Mann." Eine langjährige Haftstrafe werde deshalb nicht mehr Gerechtigkeit bringen als eine kürzere Strafe. Pistorius hatte Masipas Ausführungen meist mit versteinerter Miene verfolgt. Als die Richterin den Tatabend noch einmal Revue passieren ließ, senkte er den Kopf und atmete schwer.

Sowohl die Pistorius-Familie als auch die Eltern von Reeva Steenkamp waren im Gerichtssaal. Pistorius wurde nach dem Richterspruche wieder ins Gefängnis überstellt. Die letzten Monate hatte er im Hausarrest im Haus seines Onkels verbracht. Noch ist nicht klar, wie viel er von der Strafe im Gefängnis verbüßen muss, bevor er wieder auf Bewährung entlassen werden kann.

Steenkamps Familie verließ den Gerichtssaal ohne jeden Kommentar. Ihr Anwalt sagte "Nicht bringt Reeva zurück. Das Beste was man tun kann, ist in Würde zu schweigen." Für die Verteidigung teilte Anwalt Andrew Fawcett mit, dass Pistorius die Entscheidung Masipas akzeptieren werde. Pistorius wirkte erleichtert, als er von Justizbeamten aus dem Saal gebracht wurde. Pistorius Bruder Carl antwortete auf die Frage, ob die Strafe fair sei: "Ja". Die Staatsanwaltschaft hat 14 Tage Zeit, um über einen Einspruch zu entscheiden.

Quelle: sba

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