Panorama

Wie vom Erdboden verschluckt Maria Adela - eine russische Mata Hari in Neapel?

Seien Sie ehrlich - so stellt man sich eine russische Agentin in Neapel vor, oder?

Seien Sie ehrlich - so stellt man sich eine russische Agentin in Neapel vor, oder?

(Foto: imago images/YAY Images)

Unter verdecktem Namen spioniert die schöne Maria Adela fünf Jahre NATO- und US-Offiziere aus. Betört und bezirzt sie und dringt immer tiefer in ihre Kreise ein. Welche Informationen sie wirklich weiterleitet, ist ungewiss. Genau wie ihr Aufenthaltsort.

Maria Adela Kuhfeldt Rivera ist Mitte 30, schlank, lange, dunkle Haare, aufgeschlossen und kokett. Von 2013 bis 2018 lebt sie in Neapel, verkehrt vornehmlich in den Klubs der dort stationierten NATO- und US-Militärstützpunkte und verdreht so manch hochrangigem Offizier den Kopf. Was die Herren nicht wissen: Die schöne Maria Adela ist eine Agentin des russischen Militärgeheimdienstes GRU und heißt in Wirklichkeit Olga Kolobowa. Das ergaben die zehn Monate langen Recherchen der investigativen Plattform "Bellingcat", des "The Insider", des "Spiegel" und der italienischen Tageszeitung "La Repubblica".

Die italienische Tageszeitung schreibt, dass Olga beziehungsweise Maria Adela "die Protagonistin der sensationellsten Spionageaktion Russlands in Italien" gewesen sein soll. Fügt aber auch hinzu: "Es ist uns nicht gelungen, zurückzuverfolgen, welche Informationen sie erlangen konnte und ob es ihr gelang, Viren in die Computer und Handys ihrer Freunde einzubauen."

Der rätselhafte Tod ihres Mannes

Die italienischen Medien vergleichen Adela mit der legendären Mata Hari.

Die italienischen Medien vergleichen Adela mit der legendären Mata Hari.

(Foto: imago images/Artepics)

Die Geschichte fesselt die Italiener. Zum einen, weil Maria Adela mit all ihren Geheimnissen und Verführungsstrategien an eine moderne Mata Hari erinnert. Zum anderen, weil in Italien am 25. September ein neues Parlament gewählt wird und es immer wieder Nachrichten und Gerüchte gibt, die auf Moskaus Bestreben hindeuten, den Wahlkampf beeinflussen zu wollen. Vor ein paar Tagen kam ein weiteres Puzzlestück dieser Geschichte zum Vorschein. Dabei geht es um den mysteriösen Tod ihres Mannes Danilo Alfredo Muñoz Pogoreltsew, 30 Jahre alt, Mutter Russin, Vater Italo-Ecuadorianer. Im Juli 2012 heiraten Maria Adela und Danilo Alfredo in der Nähe von Rom. Kurz danach erkrankt der Mann und stirbt genau ein Jahr nach der Hochzeit. Es heißt, seine Familie habe von dieser Heirat erst nach der Aufdeckung von Maria Adelas wahrer Identität erfahren und wolle jetzt wissen, ob der Tod von Danilo etwas mit ihrem Beruf zu tun haben könnte.

Das Märchen mit der Rabenmutter

Ihren Freunden in Neapel erzählte Maria Adela, sie sei am 1. September 1978 in der peruanischen Stadt Callao auf die Welt gekommen. Ihr Vater sei Deutscher gewesen, ihre Mutter Peruanerin. Als sie noch keine zwei Jahre alt war, habe ihre Mutter sie mit nach Moskau zu den Olympischen Spielen genommen. Die Mutter musste jedoch abrupt wieder nach Peru und ließ die Tochter deshalb in der Obhut von Freunden in Moskau. Das sollte nur vorübergehend sein, doch die Mutter ließ sich nie mehr blicken.

Das war jedoch frei erfunden. Die Recherchen ergaben, dass 2005 ein Rechtsanwalt aus Lima einen Staatsbürgerschaftsantrag für Maria Adela an die örtlichen Behörden stellte. Als Dokumentation fügte er eine Geburtsurkunde und einen Taufschein bei. Laut Taufschein war sie in Callao in der Kirche Cristo Liberador getauft worden. Doch die Kirche gab es zu jener Zeit noch nicht, sie wurde erst neun Jahre später errichtet. Die peruanischen Behörden wiesen den Antrag zurück. Die Russen ließen sich davon aber nicht abschrecken und stellten Maria Adela 2006 einen Pass mit genau diesen Daten aus. Ausgewiesen wurde sie als "führende Spezialistin" an einer Moskauer Universität.

Maria Adela pendelt zuerst zwischen Frankreich, Italien und Malta. Auf der Insel lernte sie 2010 die ehemalige Chefredakteurin der britischen Frauenzeitschrift "Cosmopolitan", Marcelle D'Argy Smith, kennen. Sie erzählt D'Argy Smith, sie würde in Paris gerade einen Kurs über Edelsteine besuchen, käme jedoch oft nach Malta, weil hier ihr Freund lebe.

Ab 2013 war sie dann in Italien. Zuerst in Ostia, bei Rom, wo sie unter eher bescheidenen Verhältnisse lebt und ein Unternehmen, das Edelsteine verarbeitet, eröffnet. Zwei Jahre später siedelt sie nach Neapel um und quartiert sich im Nobelviertel Posillipo ein. Hier eröffnet sie 2016 einen sehr exklusiven Concept Store.

Die Maulwurf-Strategie

Ihr Geschäft wirft nicht viel ab, trotzdem organisiert sie immer wieder Partys und Vernissagen. Ihre Freunde und Bekannten, darunter auch die damalige Generalinspektorin, zuständig für die US-Militärkräfte in Europa und Afrika, Oberst Sheila Bryant, fragen sich immer wieder: "Woher nimmt sie das viele Geld?" Auch die Geschichte mit der Mutter erscheint nicht wirklich glaubwürdig. Sheila Bryant fragt sich zum Beispiel: "Warum sollte eine Mutter ihr Kind gerade in der Sowjetunion verlassen?"

Maria Adela arbeitet sich währenddessen, einem Maulwurf ähnlich, immer tiefer in die Kreise der Führungskräfte des Atlantischen Bündnisses hinein. Sie wird nicht nur Mitglied, sondern auch Sekretärin des exklusiven Lions Club "Napoli Monte Nuovo", der einst von den Offizieren der NATO-Basis Lago Patria gegründet worden war. Die Mitglieder gehören fast ausschließlich den Stützpunkten der NATO und der VI. Flotte der US-Marine an, die ein besonders begehrtes Angriffsziel der Russen darstellen. Der Lyons Club wird zu ihrem Spinnennetz, in dem sich Freunde und Liebhaber verheddern.

Am 15. September 2018 verschwindet Maria Adela, ist wie vom Erdboden verschluckt. Die Freunde versuchen, über Social Media mit ihr Kontakt aufzunehmen, fragen ihren letzten Freund - aus dem NATO-Quartier -, und bombardieren ihn mit Mails. Doch vergeblich.

"Du sollst wissen, dass du mir unendlich fehlst"

Erst am 19. November kommt wieder ein Lebenszeichen aus Moskau von ihr. In einer auf Italienisch und Englisch verfassten Nachricht gibt sie zu verstehen, dass sie an Krebs erkrankt sei: "Die Wahrheit muss raus. Die Haare fangen nach der Chemo wieder an zu wachsen, sind noch sehr kurz, aber immerhin." Sie fügt auch ein Bild hinzu, auf dem man sie mit kurzen blonden Haaren sieht. Danach gibt sie nur noch ein einziges Lebenszeichen: Im Dezember 2018 schreibt Adela der ehemaligen Chefredakteurin von "Cosmopolitan" eine Textnachricht: "Es gibt so vieles, was ich nicht sagen und erklären darf (und wahrscheinlich nie werde dürfen). Du sollst aber wissen, dass du mir unendlich fehlst."

Aber was hatte Maria Adela zu dieser überstürzten Abreise nach Moskau genötigt? Es war ihr Pass. Dieser wies die gleiche Seriennummer auf, die der russische Militärdienst auch für weitere Pässe seiner Agenten verwendet hatte. Agenten, die, wie die Recherchen von "Bellingcat" und "The Insider" damals ergeben hatten, in die Giftanschläge gegen den bulgarischen Waffenhersteller Emilian Gebrev und den russischen Spion Sergej Skripal verwickelt waren. Die Nachricht wurde am 14. September veröffentlicht, am Tag danach flog Maria Adela nach Moskau.

Ihre wahre Identität wurde erst nach weiteren langwierigen und mühsamen Recherchen und Fotovergleichen offenkundig. Daraus entnahm man, dass Maria Adela Kuhfeldt Rivera in Wahrheit Olga Kolobowa hieß, 1982 geboren wurde und dass ihr Vater ein Oberst war, der für seine vaterländischen Dienste in Angola, Irak und Syrien etliche Auszeichnungen bekommen hatte. Den endgültigen Beweis ihrer Identität lieferte jedoch Maria Adela selbst: Das Profilfoto auf dem Whatsapp-Account von Olga Kolobowa ist dasselbe, das sie ihren neapolitanischen Freunden nach ihrer überstürzten Abreise gesandt hatte.

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 04. September 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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