Panorama

Orkantief nimmt sich Süden vor"Sabine" wird noch stundenlang stürmen

10.02.2020, 08:56 Uhr
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Bei Chemnitz krachten Bäume auf Autos. (Foto: imago images/Bernd März)

Orkan "Sabine" wirbelt bundesweit den Verkehr durcheinander: Hunderte Flüge fallen aus, der Zugverkehr steht still. Erste Meldungen über Verletzte werden bekannt. Am Vormittag nimmt die Bahn erste Strecken wieder in Betrieb.

Orkantief "Sabine" zieht weiter über Deutschland Richtung Süden. In den nördlicheren Regionen indes kehrt langsam wieder Normalität ein. Gegen 10 Uhr nahmen die Bahn wuf den ersten Fernverkehrsstrecken wieder den Betrieb auf. Schrittweise werde der Fernverkehr auch in anderen Regionen wieder aufgenommen, in denen das Orkantief "Sabine" durchgezogen ist, teilte das Unternehmen mit. In Bayern und Baden-Württemberg sei bis auf Weiteres aufgrund der Witterungsbedingungen derweil noch kein Fernverkehr möglich.

Mit Tagesanbruch hatten im gesamten Netz Erkundungsfahrten begonnen. Dabei prüfen Mitarbeiter mit leeren, langsam fahrenden Zügen Strecken auf Beschädigungen und im Gleis liegende Bäume oder Äste. Teilweise wurden Strecken auch mit Helikoptern abgeflogen. Wo Beschädigungen festgestellt wurden, haben Einsatzkräfte bereits mit der Reparatur begonnen und im Gleis liegende Bäume entfernt.

Und "Sabine" soll noch stundenlang weiter stürmen: Die stärksten Böen und teils auch Starkregen erwarten die Meteorologen jetzt für den Süden. Für die komplette Südhälfte Deutschlands gilt laut Deutschem Wetterdienst die zweithöchste Unwetterwarnstufe, für einige Regionen in Baden-Württemberg und Bayern sogar die höchste - hier ist weiterhin "extremes Unwetter" zu erwarten. Auf dem Feldberg im Schwarzwald wurden Böen von 177 Stundenkilometern gemessen.

Viele Ausfälle gibt es auch an den Flughäfen: An den beiden größten Airports Nordrhein-Westfalens in Düsseldorf und Köln wurden insgesamt rund 150 Starts und Landungen gestrichen. Eurowings hatte fast alle seine Flüge gecancelt.

Nicht nur den Tagesablauf Hunderttausender Pendler, auch den vieler Familien mit Schulkindern wirbelt "Sabine" durcheinander: In vielen deutschen Schulen fällt der Unterricht aus, etwa in etlichen Großstädten Nordrhein-Westfalens sowie in Teilen von Bayern, Hessen, Niedersachsen und Bremen. Auch der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald hat allen Schülern empfohlen, daheim zu bleiben.

Süden erwartet auch Gewitter und Starkregen

Derzeit zieht "Sabine" über den Süden Deutschlands hinweg. Damit drohen hier laut ntv-Meteorologe Björn Alexander die heftigsten Windböen. Den Höhepunkt des Sturms erlebte München etwa zwischen 7 und 10 Uhr. Im Süden müssen die Menschen gebietsweise auch mit Starkregen rechnen, zudem kann es in der Mitte und im Süden der Republik am Morgen kräftig gewittern. Zu befürchten sind laut Wetterdienst entwurzelte Bäume, herabstürzende Dachziegel oder andere Gegenstände sowie "verbreitet schwere Schäden an Gebäuden".

In nahezu ganz Deutschland berichteten die Leitstellen der Polizei in der Nacht von einer Vielzahl an umgestürzten Bäumen, die zum Teil auf geparkte Autos gestürzt waren. Bauzäune wurden umgerissen, Werbetafeln umhergeweht, Klohäuschen stürzten um, Trampoline flogen durch die Gegend. In vielen Regionen hielten sich die Schäden aber in Grenzen.

In Hamburg zählte die Feuerwehr bis zum Morgen etwa 300 Einsätze wegen "Sabine". Eine Kastanie krachte am Sonntagabend auf ein Einfamilienhaus, das Dach und zwei Wände stürzten ein, verletzt wurde niemand. In Nordrhein-Westfalen gab es laut einer ersten Bilanz mehrere Verletzte. In Mülheim an der Ruhr hatten zwei Insassen eines Autos riesiges Glück: Ein 25 Meter hoher Baum erwischte ihren fahrenden Wagen im hinteren Bereich. Nur leicht verletzt kamen sie in ein Krankenhaus. "Wäre das Fahrzeug nur eine Sekunde eher an der Stelle gewesen, hätte es wesentlich schlimmer ausgehen können", erklärte die Feuerwehr.

In Paderborn wurde ein 16-Jähriger durch einen herabstürzenden Ast schwer verletzt. Er kam mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus. Zwei Menschen in Saarbrücken wurden zudem am späten Sonntagabend durch einen umstürzenden Baum schwer verletzt, einer der beiden schwebt in Lebensgefahr. Die Fußgänger waren auf einem Parkplatz des Klinikums Saarbrücken unterwegs. Sturmschaden gab es auch am Dom in Frankfurt am Main: "Sabine" ließ den Ausleger eines Baukrans in der Nacht in das Dach der Kirche krachen. Wie hoch der Schaden ist, konnte in der Nacht noch nicht gesagt werden.

Sturmflutgefahr an Nordseeküste

Sturmflutgefahr herrscht ab dem Nachmittag außerdem an der deutschen Nordseeküste in Bremen und Hamburg, auch der Hamburger Fischmarkt könnte überflutet werden. Bei zahlreichen Zeitungslesern in Nordrhein-Westfalen blieb dagegen der Briefkasten leer. Dafür stellten mehrere Verlage ihre E-Paper-Ausgaben kostenlos zur Verfügung oder hoben die Bezahlschranken für ihre Onlineseite auf. So sind etwa die digitalen Ausgaben von "WAZ", "Westdeutscher Zeitung" und "Neuer Westfälischer" kostenlos zu lesen - passenderweise ist der Sturm überall das Topthema.

"Sabine" ist ein Winterorkan, wie er etwa alle zwei Jahre vorkommt. So stark wie "Kyrill" im Jahr 2007 oder "Lothar" 1999 soll "Sabine" aber nicht werden.

Quelle: ftü/jwu/dpa/DJ

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