Tausende fliehen vor Großfeuer TUI bringt keine Touristen mehr nach Rhodos
23.07.2023, 12:52 Uhr Artikel anhören
Leere Strände: 19.000 Menschen wurden evakuiert.
(Foto: via REUTERS)
Die Waldbrände auf Rhodos breiten sich immer weiter aus. Tausende Menschen müssen ihre Häuser oder Hotels verlassen. Unter diesen Umständen will TUI keine Urlauber mehr auf die Insel fliegen. Flüge gibt es dennoch - aber nur Richtung Deutschland.
Der deutsche Reiseanbieter TUI will in den kommenden Tagen keine Urlauber mehr auf die von Waldbränden betroffene Insel Rhodos bringen. Zwar seien noch einige Flüge geplant - sie sollten aber keine Menschen nach Rhodos transportieren, sondern Urlauber von dort aus zurückfliegen, sagte eine Sprecherin des Touristikkonzerns. Bis Dienstag würden keine neuen Gäste auf die Insel geflogen.
Der TUI-Konzern habe derzeit rund 40.000 Gäste auf Rhodos, sagte die Sprecherin. "Darunter sind 7800, die vom Feuer betroffen sind und in Unterkünfte beziehungsweise Hotels evakuiert wurden." Zudem könnten viele Reisende aus Deutschland von ihrem Flug zurücktreten, sagte Aage Dünhaupt, Leiter Kommunikation von TUI Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur. "Wir bieten allen Gästen an, die bis kommenden Freitag nach Rhodos gebucht sind, kostenfrei auf ein anderes Urlaubsziel umzubuchen oder zu stornieren." Für die anderen Länder gebe es ähnliche Regelungen. Auch die britische Fluggesellschaft Jet2 sagte für Sonntag alle Flüge auf die Insel ab.
Auf der Insel halten sich derzeit insgesamt rund 20.000 deutsche Urlauber von Reiseveranstaltern auf, betroffen von den Evakuierungen im Süden von Rhodos ist laut dem Deutscher Reiseverband (DRV) jedoch nur ein kleinerer Teil. Die Reiseveranstalter arbeiten demnach eng mit den Behörden vor Ort und mit Hochdruck an Lösungen. Für die betroffenen Urlauber seien Sammelpunkte im Norden der Insel geplant, bis die Feuer gelöscht seien. "Oberste Priorität hat der Schutz von Leib und Leben", hieß es weiter. Urlauber, die in den nächsten Tagen nach Rhodos wollten, würden von ihren Reiseveranstaltern kontaktiert und informiert, ob die Reise stattfinden könne.
Der Reisekonzern DER Touristik streicht einige Angebote: "Alle Reisen in den Süden von Rhodos werden aktiv bis einschließlich Mittwoch (26.7.2023) abgesagt", teilte Pressesprecherin Angela de Sando mit. Für alle anderen Rhodos-Regionen biete der Konzern kostenlose Stornierungen und Umbuchungen bis zum Reisebeginn 26. Juli an. Nach Angaben von DER Touristik sind dessen Gäste auf Rhodos "wohlauf und in Sicherheit". Insgesamt sei eine niedrige vierstellige Zahl von Touristen in andere Unterkünfte gebracht worden. "Sollten Reisegäste der DER Touristik vorzeitig nach Hause reisen wollen, so werden etwaige Rückflugmöglichkeiten geprüft", teilte die Sprecherin mit.
Nach Angaben des Verbraucherzentrale Bundesverbands können Urlauber bei besonderen Belastungen durch "außergewöhnliche Umstände" wie Waldbrände vom Vertrag einer Pauschalreise zurücktreten oder die Reise vorzeitig abbrechen.
Notfallnummern eingerichtet
Die deutsche Botschaft richtete Notfallnummern für Urlauber ein: "Deutsche Staatsangehörige, die von den Waldbränden auf der Insel Rhodos betroffen sind, können die Botschaft Athen unter den Nummern des Bereitschaftsdienstes erreichen: Mobil: 0030/693-23 381 53 und 0030/697-22 334 89", hieß es in einem Tweet der Botschaft. Laut Botschafter Ernst Reichel befindet sich auch der Leiter der Rechts- und Konsularabteilung der Botschaft auf Rhodos, "um zu koordinieren und zu helfen, gemeinsam mit dem örtlichen Honorarkonsul".
Die Behörden auf Rhodos riefen zu Sachspenden auf. "Wir haben jetzt 4000 bis 5000 Menschen in verschiedenen Einrichtungen untergebracht", sagte Thanasis Virinis, ein örtlicher Vizebürgermeister, dem Sender Mega. Benötigt würden etwa Matratzen und Bettwäsche. Ein Sprecher der Feuerwehr sagte dem Sender Skai, die Evakuierten hätten Essen und Wasser erhalten und würden medizinisch versorgt.
Viele der Menschen verbrachten die Nacht zum Sonntag in Notunterkünften wie Schulen und Sporthallen, andere mussten im Freien übernachten. Unter den Bewohnern von Rhodos gab es eine große Welle der Hilfsbereitschaft: Viele nahmen Touristen in ihren privaten Unterkünften auf, besorgten Essen, Wasser, Bettwäsche und Matratzen. Ein großer Teil der Insel war zudem ohne Strom, da der öffentliche Energieversorger PPC aus Sicherheitsgründen das örtliche Kraftwerk im Süden abschaltete.
Auch das griechische Außenministerium schaltete Notfallnummern für Urlauber frei, die Hilfe benötigen: 0030/210-3681259 und 0030/210-3681350.
Hilfe für verlorene Ausweise
Das griechische Außenministerium hat am Flughafen inzwischen einen Hotspot eingerichtet, wo Touristen unbürokratisch eine Ausreisegenehmigung erhalten, wenn sie wegen der großen Waldbrände auf der Insel keine Ausweispapiere mehr haben. Das berichtet der griechische Staatssender ERT. Viele Menschen hätten vor dem Feuer flüchten müssen und unter Umständen keine Zeit mehr gehabt, ihr Hab und Gut mitzunehmen.
Seit Samstag wurden 19.000 Menschen aus Dörfern und Hotels in Sicherheit gebracht. Es handele sich um die größte Evakuierungsaktion, die es jemals in Griechenland gegeben habe, teilte das Büro von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mit. Nach ersten Schätzungen der Polizei seien 16.000 Menschen auf dem Landweg und 3000 Menschen von Stränden aus über das Meer in Sicherheit gebracht worden. Vermisst wird bislang nach offiziellen Angaben niemand. Tausende weitere flüchteten auf eigene Faust.
Vorsorglich wurden zwölf Dörfer sowie sämtliche Hotels in den betroffenen Regionen evakuiert worden. Besonders betroffen war die bei Touristen beliebte Region rund um den Ferienort Lindos mit seiner berühmten Akropolis aus dem 4. Jahrhundert. Viele Menschen flohen aus Hotels, als die Flammenfront die Küstendörfer Kiotari, Gennadi, Pefki, Lindos, Lardos und Kalathos erreichte. Auf der Insel kam es teilweise zu dramatischen Szenen: "Wir gingen um zwei Uhr morgens die Straße entlang und das Feuer holte uns ein", sagte eine Touristin auf Sky News und fügte an: "Ich hätte nicht gedacht, dass wir es schaffen würden." Die Frau wurde schließlich mit ihrer elfjährigen Tochter in einer Schule im nördlichen Teil der Insel in Sicherheit gebracht.
"Wir wurden im letzten Moment vor dem Feuer gerettet", erzählte der 23-jährige Bielefelder Paul, der mit seiner Partnerin Urlaub auf Rhodos machte. Als sie vom Strand in ihr verlassenes Hotel zurückkehrten, sei ihnen die "glühende Asche" bereits um die Köpfe geflogen, "und es war keine Hilfe in Sicht". "Es war so heiß und der Rauch schon so dicht, dass wir keine weiteren zehn Minuten hätten überleben können." Schließlich seien Busse gekommen, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch einige Gäste seien so in Panik geraten, dass sie am Strand nach Booten gesucht hätten, um auf eigene Faust zu flüchten.
"Das Herz von Rhodos getroffen"
Der Brand habe "das Herz von Rhodos und seine Umwelt getroffen", sagte der Naturkatastrophen-Experte Efthymios Lekkas dem Fernsehsender ERT. Er warnte vor schwerwiegenden Auswirkungen für die Tourismusbranche der Insel. "Ich bin gerade von Lindos nach Gennadi gefahren", sagte er. "Alle großen Hotels haben geschlossen. Ich glaube nicht, dass sie dieses Jahr nochmal öffnen werden, denn die Umgebung ist zerstört und lädt nicht gerade zum Urlauben ein".
Die Brände tobten unterdessen weiter, nach Einschätzung der Behörden könnte es noch Tage dauern, bis sie unter Kontrolle sind. Für Sonntag und auch Montag ist keine Entspannung in Sicht - zumal es weiterhin stark windete. Ein Sprecher der Feuerwehr sprach gegenüber dem Staatssender ERT von drei großen Fronten. Es handelt sich um Brände rund um den Ferienort Kiotari, das Dorf Apollona und den Stausee Gadoura. Der griechische Zivilschutz warnte für Sonntag für weite Teile Griechenlands vor extrem hoher Waldbrandgefahr. Die höchste Alarmstufe fünf galt neben Rhodos auch für Mittelgriechenland, den Westen und Nordosten der Halbinsel Peloponnes sowie den Großraum Athen und die Insel Euböa. Seit Tagen hat eine starke Hitzewelle mit vielerorts Temperaturen von über 40 Grad das Land im Griff. Auch zuvor war es bereits länger heiß und trocken.
Quelle: ntv.de, mli/hny/AFP/rts/dpa