Panorama

Impfkampagne gestartet Taliban entsagen dem Polio-Mythos

Ein Junge erhält in Kabul seine Polio-Impfung.

Ein Junge erhält in Kabul seine Polio-Impfung.

(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)

In Afghanistan ist Kinderlähmung noch weit verbreitet. Impfkampagnen scheiterten bisher oft an den Taliban, welche Ammenmärchen über Nebenwirkungen der Impfung verbreiteten. Nach der Machtübernahme scheinen die Taliban ihre Einstellung zur Impfung verändert zu haben.

Während in westlichen Ländern Fälle von Kinderlähmung seit Jahrzehnten nur noch vereinzelt vorkommen, ist das Virus vor allem in Afghanistan und Pakistan noch weit verbreitet. In Afghanistan scheiterten Polio-Impfkampagnen bisher auch an Ammenmärchen der Taliban, welche diese in den von ihnen kontrollierten Gebieten verbreiteten. Mit ihrer Machtübernahme in Afghanistan scheint es bei ihnen zu einem Paradigmenwechsel gekommen zu sein.

Denn seit Montag läuft eine Impfkampagne gegen Kinderlähmung, welche landesweit die ganz jungen Bürgerinnen und Bürger erreichen soll. Es ist die erste Impfkampagne seit Machtübernahme der Taliban. Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des UN-Kinderhilfswerks Unicef ist es, rund zehn Millionen ungeimpfte Kinder unter fünf Jahren zu erreichen, wie der Projektleiter Gula Khan Ayub sagte. Diesmal hoffen die Organisatoren der Impfkampagne, auch bisher nicht zugängliche Landesteile zu erreichen. "Es ist immer noch schwierig, aber wir sind hoffnungsvoll", sagte Ayub. Die Polio-Kampagne habe "diesmal die volle Unterstützung der Taliban-Führung". Weibliche Teammitglieder hätten dabei die Erlaubnis, gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen zu arbeiten.

Trotzdem konnte die Impfkampagne zum Start nicht wie geplant in allen Provinzen ablaufen. Aber offenbar nicht aus einer grundsätzlichen ablehnenden Haltung der Taliban heraus, sondern wegen Sicherheitsbedenken. Nach Angaben eines Vertreters des Gesundheitsministeriums, der nicht namentlich genannt werden wollte, haben die Taliban Sicherheitsbedenken in 19 Provinzen, weil es in der Vergangenheit dort zu tödlichen Angriffen auf Impfteams gekommen sei. In diesen Provinzen sollen die Impfteams nun nicht von Haus zu Haus gehen. Der Polio-Koordinator des Gesundheitsministeriums, Naik Wali Schah Momin, kündigte an, dass der Impfstoff gegen Kinderlähmung dort ab kommenden Montag in Moscheen verteilt werden solle.

Unfruchtbarkeits-Mythos als Angstmacher

Geimpft werden sollen bei der nun gestarteten Impfkampagne insbesondere auch rund vier Millionen Kinder in Gebieten, zu denen Impfteams bisher kein Zutritt gewährt wurde. Vor ihrer Machtübernahme hatten die Taliban unter den Bewohnern der von ihnen kontrollierten Gebiete unter anderem die Verschwörungstheorie verbreitet, bei der Polio-Impfung handele es sich um eine Verschwörung des Westens, um muslimische Kinder unfruchtbar zu machen.

Afghanistan und das benachbarte Pakistan sind die einzigen Länder weltweit, in denen die Kinderlähmung noch verbreitet ist. Kinderlähmung wird durch das Poliovirus ausgelöst. Es wird vorwiegend durch Schmierinfektionen übertragen und kann bleibende Lähmungen der Arme oder Beine verursachen oder sogar zu einer tödlichen Lähmung der Atemmuskulatur führen. Die Krankheit war in aller Welt verbreitet, bis in den 50er Jahren ein Impfstoff entwickelt wurde.

Quelle: ntv.de, mpe/AFP/dpa

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