Prozess um AmokfahrtAnklage sieht "Tat aus Frustration" - Richter ermahnt weinerlichen Taleb A.
Kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr steuert Taleb A. ein Fahrzeug in eine Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Dabei sterben sechs Menschen. Zum Prozessauftakt präsentiert die Anklage Details zum Motiv des Täters.
Der Todesfahrer von Magdeburg hat im Prozess zum Weihnachtsmarkt-Anschlag zugegeben, am Steuer gesessen zu haben. "Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat", sagte Taleb A. vor dem Landgericht Magdeburg. Weitere konkrete Angaben machte er zunächst nicht. Es gab keine Entschuldigung, kein Zeichen der Reue.
Stattdessen äußerte sich der 51 Jahre alte Angeklagte mit weinerlicher Stimme und Taschentuch vor dem Gesicht zu vermeintlichen Vertuschungen der Polizei und kritisierte Medien. Erneut hielt er seinen Laptop hoch, wo "Sept. 2026" zu lesen war. "Da ist die nächste politische Wahl in Sachsen-Anhalt", erklärte der aus Saudi-Arabien stammende Mann, der auch als Islamkritiker aufgetreten ist. Am 6. September 2026 wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt.
Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg versuchte, derartigen politischen Erklärungen Einhalt zu gebieten. Er ermahnte den Angeklagten, sich zur Sache zu äußern. Betroffene der Todesfahrt, die als Nebenkläger zum Prozessauftakt erschienen waren, blickten teils fassungslos. Manche wendeten sich ab, andere schüttelten die Köpfe.
Zuvor hatte der Prozess um den Anschlag mit sechs Toten vor fast einem Jahr mit der Anklageverlesung begonnen. Der Angeklagte Taleb A. habe in der Absicht gehandelt, "eine unbestimmte große Zahl von Menschen zu töten", sagte Oberstaatsanwalt Matthias Böttcher zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Magdeburg. A. habe am 20. Dezember 2024 seinen zwei Tonnen schweren, 340 PS starken Wagen "zielgerichtet gegen eine Vielzahl von Passanten gelenkt", dabei sechs Menschen getötet und mehr als 300 teils lebensbedrohlich verletzt.
Aus einer "vermeintlich persönlichen Frustration" heraus sei es dem Beschuldigten darum gegangen, eine "möglichst große Menge von Personen" zu erfassen. Dafür sei er in Schlangenlinien gefahren, um möglichst viele Personen zu treffen. Er habe im Wesentlichen "aus vermeintlicher Kränkung und Frustration" über den Ausgang eines Gerichtsverfahrens und die Erfolglosigkeit eigener Strafanzeigen gehandelt. Er habe willkürlich Opfer gesucht, um Aufmerksamkeit für die "von ihm empfundene Ungerechtigkeit" zu erzielen, sagte Böttcher.
Die beiden Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg schilderten detailliert den Ablauf der Tat im Dezember und beschrieben, wie der Angeklagte mit seinem Wagen Menschen erfasste, mitschleifte, überfuhr. Die Ankläger schilderten jeden einzelnen Fall - die Verletzungen der Opfer, die Dauer der Krankenhausbehandlungen, wie Menschen ums Leben kamen.
Der 51-jährige Angeklagte verfolgte den Vortrag der Generalstaatsanwaltschaft von der in einer aus Sicherheitsglas gebauten Kabine untergebrachten Anklagebank offensichtlich ohne Emotionen. Der Facharzt lebt seit 2006 in Deutschland und arbeitete zuletzt mit suchtkranken Straftätern im sachsen-anhaltischen Bernburg.
A. werden unter anderem sechsfacher Mord und versuchter Mord in 338 Fällen vorgeworfen. Laut Anklage tötete der aus Saudi-Arabien stammende Angeklagte bei dem Anschlag einen neunjährigen Jungen und fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren. 309 Menschen wurden verletzt, 29 Betroffene blieben körperlich unversehrt. Auch bei ihnen geht die Anklage jedoch von versuchtem Mord aus.
Der Prozess findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Wegen der Vielzahl an Prozessbeteiligten und Medienvertretern mietete das Landgericht eine Leichtbauhalle für die Verhandlung an. Viele Plätze der mehr als 150 zugelassenen Nebenkläger blieben zum Prozessauftakt allerdings unbesetzt, auch die Zuschauerreihen waren nur knapp zur Hälfte besetzt. Zunächst wurden Verhandlungstermine bis März festgelegt.
