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Wirres WeltbildTaleb A. will sich auf Notstand berufen

10.11.2025, 08:23 Uhr
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Der Prozess gegen den Attentäter vom Magdeburger Weihnachtsmarkt wird am Landgericht Magdeburg geführt. (Foto: picture alliance / CHROMORANGE)

In Magdeburg steht ab heute der Attentäter des Weihnachtsmarktanschlages vor Gericht. Eine Anhörung vor Prozessbeginn lässt ahnen, wie er sich verteidigen will.

Der Attentäter vom Magdeburger Weihnachtsmarkt, Taleb A., will sich in dem heute gegen ihn beginnenden Prozess vor allem auf einen "Notstand" nach den Paragrafen 34 und 35 des Strafgesetzbuches berufen. Darauf deuten Gerichtsunterlagen hin, die der "Stern" einsehen konnte.

Demnach gab es vor gut zwei Wochen unter dem Vorsitz des zuständigen Magdeburger Richters eine Anhörung von A., um ihm Gelegenheit zu geben, zu den Straftaten Stellung zu nehmen, die die Anklage ihm zur Last legt. Taleb A. wurde aus der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Plötzensee vorgeführt und erklärte seine Verteidigungsstrategie. Ob er diese vor Gericht umsetzt, muss der Prozess zeigen.

In den Paragrafen 34 und 35 des Strafgesetzbuches ist eine Strafbefreiung für Fälle vorgesehen, in denen sich der Beschuldigte in einer "gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit" befindet, die er nicht anders abwenden kann als durch die ihm zur Last gelegte Tat. Um diese Umstände aus seiner Sicht darzustellen, wird A. vermutlich selbst in dem Prozess aussagen.

In Verschwörungsideen gefangen

Aus dem Protokoll der mehr als drei Stunden langen Anhörung geht hervor, dass sich der aus Saudi-Arabien stammende und heute 51 Jahre alte Angeklagte schon lange vor der Tat in diverse Verschwörungserzählungen hineingesteigert haben muss. Er selbst sieht sich als Islamkritiker. Gegenüber dem Richter erklärt er, staatliche Behörden und Flüchtlingsinitiativen in Deutschland würden mit dem Regime in Saudi-Arabien kooperieren, um jede islamkritische Opposition auszuschalten. Die Magdeburger Polizei habe sogar versucht, saudische Asylsuchende umzubringen. Ziel einer umfassenden Verschwörung, von der auch er sich bedroht fühle, sei die Islamisierung Europas.

Im Verlauf der Anhörung erhebt Taleb A. immer wirrere Vorwürfe, die darin gipfeln, dass bei der Amokfahrt über den Weihnachtsmarkt von Magdeburg nicht er, sondern die Polizei der eigentliche Täter gewesen sei. Mit der offiziellen Darstellung des Geschehens würden die Opfer des Anschlages nachträglich betrogen.

Taleb A., der vor seiner Tat als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie arbeitete, äußert mehrfach, er habe bei all seinen Konflikten mit Polizei, Gerichten und Behörden das Gefühl gehabt, nicht wie ein Mensch behandelt worden zu sein. Trotz seiner massiven Drohungen seit 2023 habe er immer versucht, zu einer friedlichen Lösung zu kommen.

Am Tag des Anschlages sei er gegen 16.00 Uhr, also etwa drei Stunden vor der Tat, in einem "Edeka"-Supermarkt gewesen und habe sich dort bereits innerlich von der Welt verabschiedet, weil er damit gerechnet habe, dass ihn bald ein Polizist erschießen werde. Damit, so Taleb A., wären auch seine Schmerzen vorbei gewesen, die er nicht habe aushalten können.

Bei dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 hatte A. einen schweren BMW-SUV in die Besuchermenge gesteuert. Sechs Menschen wurden getötet, zahlreiche andere verletzt, zum Teil lebensgefährlich.

Quelle: ntv.de, sba

Anschlag in MagdeburgProzesse