Janssens im Interview"Werden weiter Menschen haben, die an Covid-19 sterben"

Die Corona-Lage entspannt sich. Doch für eine Entwarnung ist es zu früh. Noch immer liegen mehr als 2000 Menschen mit einer Infektion auf den Intensivstationen. Und es wird weiter Tote geben, wie der frühere DIVI-Chef Janssens sagt. Mit den gängigen Verhaltensregeln werde sich die Situation aber weiter in die richtige Richtung entwickeln.
Die Corona-Lage entspannt sich. Doch für eine Entwarnung ist es zu früh. Noch immer liegen mehr als 2000 Menschen mit einer Infektion auf den Intensivstationen. Und es wird weiter Tote geben, wie der frühere DIVI-Chef Janssens sagt. Mit den gängigen Verhaltensregeln werde sich die Situation aber weiter in die richtige Richtung entwickeln.
ntv: Das Robert-Koch-Institut hat die Gefahrenlage durch das Coronavirus von "sehr hoch" auf "hoch" herabgestuft und sagt, das habe damit zu tun, dass die Zahl der Neuinfektionen zurückgeht, aber auch dass die Lage auf den Intensivstationen besser wird. Inwiefern macht sich denn die Entspannung da bemerkbar für Sie als Intensivmediziner?
Uwe Janssens: Die Situationen auf den Intensivstationen zeichnen die epidemiologische Gesamtlage nach, sodass das die günstige Entwicklung mit einer Verzögerung von 10 bis 14 Tagen mittlerweile auch dort ankommt. Das ist ein positives und ein stabiles Signal. Wir hoffen, dass wir weiterhin eine in den Sommer hinein abnehmende Covid-19-Patientenzahl auf Intensivstationen haben werden.
Allerdings muss man auch sagen: Das Sterben ist noch nicht vorbei. Allein heute verzeichnen wir knapp 180 Corona-Tote. Gleichzeitig freuen wir uns über Lockerungen und machen überall im Land wieder auf. Wie passt das denn zusammen?
Patienten sterben nicht direkt an der Sars-Cov2-Infektion. Wenn sie schwer erkranken, dauert das eine gewisse Zeit und zum Teil sehr lange, bis die Krankheit einen leider Gottes tödlichen Verlauf nimmt. Wir werden auch noch die nächsten Tage und Wochen Sterbezahlen berichtet bekommen. Aktuell sind noch etwa 2100 Patienten auf Intensivstationen, von denen 60 Prozent beatmet werden. Und beatmete Patienten mit Covid-19 haben noch immer eine Sterblichkeit zwischen 40 und 60 Prozent. Allein deswegen werden wir weiter Menschen haben, die auch noch in den nächsten Wochen an Covid-19 oder mit Covid-19 versterben werden. Das ist der tragische Verlauf einer Covid-19-Erkrankung.
Großbritannien meldet erstmals seit knapp einem Jahr null Corona-Tote. Wann, glauben Sie, ist es auch bei uns soweit?
Da muss ich ehrlich sagen, würde ich noch zwei bis drei Monate abwarten, bis wir in einen Bereich kommen, in dem wir unter zehn an oder mit Covid-19 Verstorbene zu beklagen haben. Das wäre natürlich eine ganz tolle Nachricht. Wir haben noch viele Patienten auf Intensivstationen, von denen ein Großteil die Erkrankung nicht überleben wird.
Trotz der Gesamtlage, die sich langsam entspannt, sehen wir jetzt ein paar Tage in Folge einen leichten Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz. Haben wir vielleicht doch zu schnell und gleichzeitig zu viel gelockert?
Man wird die Lockerungen, die sich auch an den Sieben-Tage-Inzidenzwerten orientieren, nicht zurücknehmen. Es soll auch die Bundes-Notbremse ganz ausgesetzt werden. Gleichzeitig bleibt es dabei: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, RKI-Chef Lothar Wieler und auch wir warnen immer noch ein bisschen und sagen: Leute, bleibt weiterhin vorsichtig. Beachtet die AHA-plus-L-Regeln, weil wir noch keine Durchimpfung der Bevölkerung haben. Wir sind von einer Herdenimmunisierung weit entfernt. Wenn es wirklich gut läuft, sind wir bei 50 Prozent komplett geimpfter Menschen erst Ende August. Wir müssen weiter darauf achten, auch wenn wir eine für das Virus eher ungünstige Wetterlage haben, nicht übermütig zu werden. Achtet man weiter auf die nötigen Vorsichtsmaßnahmen, wird die Lage sich mit Sicherheit weiter stabil in eine positive Richtung entwickeln. Da bin ich mir doch mittlerweile relativ sicher.
Mit Uwe Janssens sprach Nina Lammers