Ergebnisse des ersten Durchgangs Alle Daten zur Türkei-Wahl
16.05.2023, 09:09 Uhr Artikel anhörenParlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei: Die aufstrebende Regionalmacht zwischen Europa und Asien stellt die politischen Weichen für die Zukunft - und steuert auf eine Stichwahl zu. Bleibt Erdogan im Amt? Die aktuellen Zahlen im Überblick.
Offener Wahlausgang in der Türkei: Bei der Präsidentschaftswahl vom 14. Mai hat Recep Tayyip Erdogan einen klaren Sieg im ersten Durchgang knapp verfehlt. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kam der amtierende Präsident der Türkei auf 49,51 Prozent, wie die türkische Wahlbehörde YSK mitteilte.
Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu lag laut vorläufigem Endergebnis bei 44,88 Prozent. Keiner der beiden Bewerber erhielt somit in der ersten Runde mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten. Am 28. Mai kommt es damit zur Stichwahl zwischen Erdogan und Kilicdaroglu.
Hinweis: Die Infografiken zur Präsidentschafts- und Parlamentswahl werden laufend aktualisiert.
Es ist die erste Stichwahl bei einer Präsidentschaftswahl in der Geschichte der Türkei. Der Wahlausgang ist noch offen: Ausschlaggebend könnte nach Einschätzung vieler Beobachter die Wahlempfehlung des dritten Kandidaten und Ultranationalisten Sinan Ogan sein, der bei der Wahl am Sonntag auf 5,2 Prozent kam. "Im Falle einer Stichwahl werden wir schwierige 14 Tage vor uns haben", erklärte Ogan am Wahlabend ohne Hinweis darauf, welchen Kandidaten er in einer Stichwahl unterstützen würde. Der Rechtsnationalist steht Erdogan politisch näher als dessen Herausforderer.
Der Stichwahltermin gilt auch für die stimmberechtigten Türken im Ausland. In Deutschland können Wählerinnen und Wähler mit türkischem Pass bereits zwischen dem 20. und 24. Mai ihre Stimme abgeben, heißt es.
Ergebnisse der Parlamentswahl
Mit Blick auf die Stichwahl mahnte der Koordinator der Wahlbeobachtermissionen von OSZE und Europarat größere Chancengleichheit an. Es dürfe nicht der Fehler wiederholt werden, dass die Regierungsseite eindeutig in den Medien bevorzugt werde, sagte Michael Link.
Der Wahlkampf und die Stimmabgabe am 14. Mai fanden unter sehr ungleichen Voraussetzungen statt: Erdogan und seine AKP kontrollieren die meisten Medien im Land. Wortmeldungen und Ansichten des Erdogan-Lagers bekommen damit mehr Raum als Stimmen der Opposition. Auch bei der Verteilung der Wahlmittel gab es nach Einschätzung der Wahlbeobachter große Ungleichheiten zwischen Amtsinhaber und Herausforderer.
Bereits am Wahlabend hatten Stimmen der Opposition Erdogan und seinen Anhängern taktische Manöver bei der Stimmauszählung vorgeworfen. In Hochburgen der Opposition habe die islamisch-konservative AKP bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse eingelegt, sagte zum Beispiel der Bürgermeister von Istanbul, Mansur Yavas, der wie Erdogans Herausforderer Kilicdaroglu Mitglied der größten türkischen Oppositionspartei CHP ist.
Dadurch sei die Auszählung verzögert worden, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus, erklärte Yavas. Umfragen hatten im Vorfeld ein deutlich stärkeres Ergebnis für Kilicdaroglu nahegelegt.
Ein vierter Bewerber neben Erdogan, Kilicdaroglu und Ogan hatte vor der Wahl seine Kandidatur zurückgezogen. Muharrem Ince von der Vaterlandspartei trat kurzfristig nicht zur Wahl ab, sein Name stand aber noch auf den Stimmzetteln.
Die aufstrebende Regionalmacht Türkei zählt insgesamt rund 85 Millionen Einwohner. Die Zahl der Wahlberechtigten lag laut offizieller Statistik bei rund 61 Millionen. In Deutschland waren rund 1,5 Millionen Menschen mit türkischem Pass stimmberechtigt. In der Türkei wurden rund 192.000 Wahlurnen aufgestellt. Hunderttausende Beobachter von Regierung und Opposition sind im Einsatz.
Das Land an der Schwelle zwischen Europa und Asien ist laut Verfassung von 1982 eine demokratische, laizistische, soziale und rechtsstaatliche Republik. Erdogan regiert 2003 zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident - mit zunehmend autoritären Tendenzen.
Unter seiner Führung erfolgte der Umbau der Türkei in ein Präsidialsystem mit weitreichenden Kompetenzen für den Staatschef.
In Erdogans Amtszeiten als Regierungschef und Präsident erlebte das Land zunächst einen starken wirtschaftlichen Aufschwung, einen ausgeprägten Bauboom mit spektakulären Infrastrukturprojekten sowie eine wachsende außenpolitische Bedeutung - auch durch militärische Gewalt etwa durch Einsätze im südlichen Nachbarland Syrien.
Erdogans Führungsanspruch, seine Einmischung in die Geldpolitik und seine zunehmend autokratisch wirkenden Tendenzen sind im In- und Ausland umstritten: In den vergangenen Jahren kam es zu größeren sozialen Verwerfungen, ausgelöst unter anderem durch stark gestiegene Lebensmittelpreise und eine hohe Inflation.
Innenpolitisch überschatteten vor allem der Putschversuch von 2016 und die staatlichen Reaktionen das gesellschaftliche Klima. 2018 kam es auf Betreiben Erdogans zu einer Verfassungsänderung, die den Einfluss des Staatspräsidenten erheblich ausweitete und das Parlament schwächte. Teile der Bevölkerung lehnen Erdogan und seine streng konservative AKP ab.
Die Parlaments- und Präsidentschaftswahl zieht auch im Ausland große Aufmerksamkeit auf sich: In Deutschland begann die Stimmabgabe für wahlberechtigte Deutsch-Türken bereits zweieinhalb Wochen vor dem eigentlichen Wahltag. Am 27. April öffneten in den Konsulaten eigens eingerichtete Wahllokale.
Die rund 1,5 Millionen stimmberechtigten Deutsch-Türken konnten in Deutschland in 26 türkischen Auslandsvertretungen ihre Stimme abgeben. Insgesamt konnten sich weltweit 3,4 Millionen Auslandstürken in insgesamt 73 Ländern an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen beteiligen.
Gewählt wird in der Türkei regulär alle fünf Jahre. Die türkische Diaspora in Deutschland bildet den Löwenanteil der türkischen Auslandswähler. Insgesamt stellen die Auslandswähler jedoch nur einen kleinen Anteil der Wählerschaft.
Rückblick: Wahlergebnis 2018
2018 hatte Erdogan die Präsidentschaftswahl bereits im ersten Wahlgang für sich entscheiden können. Er erhielt damals - kurz nach dem gegen ihn gerichteten, aber letztlich gescheiterten Militärputsch - 52,6 Prozent der Stimmen.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts