Politik

Daten zeigen Cloppenburg-Effekt Wie die Alterung die Hauspreise drückt

Nicht allein in den Metropolen boomt der Wohnungsmarkt. Die Entwicklung der Immobilienpreise hängt auch entscheidend von der Altersstruktur der Bevölkerung ab. Sichtbar wird das in einer eher unscheinbaren Region Deutschlands: dem Landkreis Cloppenburg.

Die Wertsteigerung der eigenen Immobilie ist kein Selbstläufer. Den mit Abstand größten Preiszuwachs bis 2035 erwarten Ökonomen in den sieben größten deutschen Metropolen und ihrem Umland erwartet, wie aus Berechnungen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) hervorgeht. In ländlichen Regionen dürfte es dagegen oftmals nur zu einer Stagnation der Kaufpreise kommen, in weiten Teilen Ostdeutschlands droht sogar ein deutlicher Wertverlust.

Woran liegt das? Daten aus dem Statistischen Bundesamt liefern Hinweise auf mächtige Einflussfaktoren. Beim Abgleich mit den Prognosen aus dem "Postbank Wohnatlas", der auf den HWWI-Berechnungen aufbaut, sticht eine Region im Norden Deutschlands deutlich heraus. Abseits der großen Ballungszentren weist der an die Niederlande grenzende Regierungsbezirk Weser-Ems eine besonders aussichtsreiche Prognose auf: Im dortigen Landkreis Cloppenburg und auch im benachbartem Landkreis Vechta rechnen die Forscher mit einem jährlichen Preiswachstum von rund 1,6 Prozent. Ausschlaggebend, heißt es, sei hier nicht die Anbindung an Metropolregionen, sondern ein weiterer zentraler Grund: die Altersstruktur der Bevölkerung.

Cloppenburg profitiert von hoher Geburtenrate

Der Landkreis Cloppenburg gehört zu den jüngsten Regionen Deutschlands. Der Seniorenanteil - also der Anteil der Menschen im Alter über 65 Jahren an der Gesamtzahl der Einwohner in der Region - beträgt lediglich 16,6 Prozent und liegt damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Deutschlandweit liegt die Senioren-Quote im Mittel bei 23 Prozent. Und: Bei der Kinder-Quote erreicht der Landkreis Cloppenburg mit 20,1 Prozent der Einwohner einen bundesweiten Spitzenwert. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung ist unter 18 Jahren alt.

Im Nachbar-Landkreis Vechta sieht es ähnlich aus. Cloppenburg und Vechta gelten seit Jahren als die kinderreichsten Landkreise Deutschlands. Jede Frau bekommt dort im Durchschnitt 1,9 Kinder, wie aus der Bevölkerungsstatistik hervorgeht. Zum Vergleich: Die bundesweite Geburtenziffer liegt bei etwa 1,5 Kindern pro Frau. Das hat indirekt auch massive Auswirkungen auf den Immobilienmarkt: Die Region wächst und damit auch die Nachfrage.

Warum ausgerechnet Cloppenburg? Experten zufolge begünstigt die katholische, konservative und ländliche Prägung der Region die Entstehung kinderreicher Familien. Hinzu kam ein erhöhter Zuzug von Spätaussiedlern aus Russland in den 1990er Jahren, die ebenfalls Nachwuchs mitbrachten. Zudem ist Cloppenburg eine wirtschaftsstarke Region, in der zahlreiche Großbetriebe angesiedelt sind. Weil der Landkreis früh damit begann, Bauland zu subventionieren, konnten sich viele Familien ein Einfamilienhaus leisten. Auch heute liegt der Quadratmeterpreis für eine Immobilie laut HWWI-Zahlen mit rund 2453 Euro unter dem Bundesdurchschnitt von 2905 Euro.

Nicht nur im Weser-Ems-Kreis, auch in weiteren Regionen zeigen die Daten Überschneidungen zwischen einer jungen Bevölkerung und dem steigenden Wert von Immobilien, etwa in der Region um München oder im östlichen Baden-Württemberg. Das liege zum einen daran, dass Erwerbstätige generell einkommensstärker sind als Rentnerinnen und Rentner, wie Dörte Nitt-Drießelmann vom HWWI erklärt. "Im Umkehrschluss heißt das: Je älter die Bevölkerung, desto geringer ist in der Regel das verfügbare Einkommen pro Person in einer Region", sagt sie im Gespräch mit ntv.de.

Bedürfnisse ändern sich im Alter

Zudem beeinflusse die Altersstruktur auch die Haushaltsstruktur. "Während für Familien mit Kindern flächenmäßig größere Immobilien attraktiv sind, wollen Seniorinnen und Senioren in kleinere, altersgerechte Wohnungen ziehen", sagt Nitt-Drießelmann. Mit der Alterung ändert sich also die Nachfrage, hin zu weniger Wohnraum bei zugleich weniger verfügbarem Geld.

Wie sich ein hoher Altersdurchschnitt auf den Wohnungsmarkt auswirkt, zeigt exemplarisch die südthüringische Stadt Suhl. Dort liegt der Anteil der Rentnerinnen und Rentnern bei über 32 Prozent - deutscher Höchstwert. Zugleich hat Suhl im "Wohnatlas" die schlechteste Prognose beim Immobilienwert aller 400 untersuchten Landkreise. Der Berechnungen zufolge dürfte der Kaufpreis bis 2035 um 4,40 Prozent pro Jahr zurückgehen. Das Problem: Suhl fehlt es an Nachwuchs und Zuzug, infolgedessen die Stadt schrumpft. Die Einwohnerzahl ist seit der Wende um ein Drittel zurückgegangen.

"Der Wohnungsmarkt ist abhängig von der Bevölkerungsentwicklung", fasst Nitt-Drießelmann zusammen. "Sie können noch so tolle Wohnungen und Häuser haben, nur hilft das nicht, wenn es in der Region nicht ausreichend Arbeitsplätze und Angebote für junge Menschen und Familien gibt." Ein Zustand, der jedoch insbesondere für den Osten Deutschlands symptomatisch ist. Düstere Aussichten für Millionen Immobilienbesitzer, die in den strukturschwächeren Regionen wohl in den nächsten Jahren Werteinbußen hinnehmen müssen.

(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 12. Januar 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen