Politik

"Er wird zur Hölle fahren" Boston-Bomber erhält die Todesstrafe

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(Foto: REUTERS)

Die Geschworenen sind sich einig: Dschochar Zarnajew soll wegen seiner Beteiligung am schlimmsten Terroranschlag in den USA seit 2001 durch die Giftspritze sterben. Der Bombenleger von Boston muss für den Tod von drei Menschen und das Leid der 260 Verletzten mit seinem Leben büßen.

Im Prozess um den Anschlag auf den Boston-Marathon des Jahres 2013 ist der Angeklagte zum Tode verurteilt worden. Die Geschworenen des zuständigen Bundesgerichts entschieden nach 15-stündiger Beratung, dass der 21-jährige Dschochar Zarnajew per Giftspritze hingerichtet werden soll.

Keine Gnade: Dschochar Zarnajew.

Keine Gnade: Dschochar Zarnajew.

(Foto: AP)

Im vergangenen Monat hatte dieselbe Jury ihn bereits für schuldig befunden, gemeinsam mit seinem Bruder Tamerlan den islamistisch motivierten Anschlag vor zwei Jahren verübt zu haben. Die US-Regierung bezeichnete das Strafmaß als angemessen.

"Kalt und gefühllos"

Die höchste Strafe sei angesichts des schrecklichen Verbrechens von Dschochar Zarnajew passend, teilte Justizministerin Loretta Lynch mit. Zarnajew habe den Terroranschlag "kalt und gefühllos" verübt. Er müsse seine Tat nun mit dem Leben bezahlen, sagte Staatsanwältin Carmen Ortiz. Sie lobte den Ablauf der Gerichtsverhandlung: "Selbst die Schlimmsten der Schlimmsten verdienen einen fairen Prozess und ein rechtsstaatliches Verfahren."

Bomben im Zieleinlauf einer weltberühmten Laufveranstaltung deponiert: Dschochar Zarnajew wird mit dem Tod bestraft (Archivbild).

Bomben im Zieleinlauf einer weltberühmten Laufveranstaltung deponiert: Dschochar Zarnajew wird mit dem Tod bestraft (Archivbild).

(Foto: REUTERS)

Die Reaktionen unter den Opfern, Hinterbliebenen und den an Rettungsarbeiten beteiligten Einsatzkräften fielen weniger einheitlich aus. "Er hat sein eigenes Recht auf Leben verwirkt", schrieb die Überlebende Sydney Corcoran auf Twitter. "Gerechtigkeit. In seinen eigenen Worten: 'Auge um Auge'." Corcoran wurde bei dem Anschlag schwer verwundet, ihr Mutter verlor beide Beine.

"Niemand feiert hier"

Die Eltern des achtjährigen Jungen, der bei dem Anschlag starb, hatten dagegen aus Angst vor dem jahrelangen Prozess öffentlich darauf gedrängt, von der Todesstrafe abzusehen. Sowohl Massachusetts' Gouverneur Charlie Baker als auch Bostons Bürgermeister Martin Walsh sagten, dass die Entscheidung den Opfern hoffentlich die Chance gebe, mit dem Fall abzuschließen.

"Niemand feiert hier", sagte Feuerwehrmann Michael Ward, der zu den ersten Helfern nach den Explosionen in der Bostoner Innenstadt zählte. Doch die Gerechtigkeit im Fall Zarnajew habe gesiegt. "Er wird zur Hölle fahren, denn dort wollte er hin. Aber er wird dort schneller ankommen als er dachte."

Zähes Revisionsverfahren droht

Die Entscheidung der Geschworenen ist allerdings noch nicht endgültig: Sofern die Verteidigung wie von Beobachtern erwartet Berufung einlegt, könnte sich der Rechtsstreit um das Schicksal des Attentäters noch mehrere Jahre hinziehen.

Die Beweislage war erdrückend. Zarnajew selbst hatte zudem bereits zum Auftakt des Prozesses eingeräumt, die ihm vorgeworfenen Verbrechen verübt zu haben. Für seine Verteidiger ging es in dem Prozess vor allem darum, die Höchststrafe für die ihm zu Last gelegten Taten in eine lebenslängliche Haft umzuwandeln. Sie argumentierten, ihr aus Tschetschenien stammender Mandant sei von seinem 26-jährigen Bruder Tamerlan zu den Anschlägen angestiftet worden. Tamerlan Zarnajew starb bei einem Feuergefecht mit der Polizei.

Blinder Terror

Bei dem Anschlag am 15. April 2013 waren drei Menschen - darunter ein achtjähriges Kind - getötet und 264 verletzt worden. Die Attentäter hatten nach Überzeugung der Geschworenen zwei selbst gebaute Sprengsätze im Zielbereich einer friedlichen Sportveranstaltung platziert. Es war der schwerste Anschlag in den USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001.

Es folgte eine tagelange Verfolgungsjagd mit der Polizei, bei der Teile des Großraums Boston komplett abgeriegelt blieben und es vereinzelt zu wilden Schießereien kam. Auf ihrer Flucht ermordeten die beiden Brüder auch einen an der Verfolgung unbeteiligten Polizisten: Der 27-jährige Hochschul-Beamte Sean Collier saß in seinem Wagen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) als ihn einer der beiden Attentäter hinterrücks erschoss. Für die Anwohner der Millionenmetropole an der US-Ostküste glich die Großfahndung nach den Attentätern einem Nervenkrieg. Die Stadt befand sich über Tage im Ausnahmezustand.

Todesstrafe für sechs Anklagepunkte

Der heute 21 Jahre alte Zarnajew, ein Amerikaner tschetschenischer Abstammung, war im April in allen 30 Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. Auf 17 dieser Anklagepunkte stand die Todesstrafe. Für eine Hinrichtung war Einstimmigkeit der zwölf Geschworenen in einem dieser 17 Punkte notwendig. Sofern sie sich gegen Zarnajews Exekution entschieden hätten oder sich in keinem der Punkte hätten einigen können, hätte er eine lebenslange Haftstrafe bekommen.

Die sechs Anklagepunkte, die Zarnajew schließlich die Todesstrafe einbrachten, bezogen sich alle auf die zweite der beiden Schnellkochtopf-Bomben, die er am Zieleinlauf des Marathons gelegt hatte. Lediglich mit Blick auf die Explosion der ersten Bombe, die sein Bruder Tamerlan gelegt hatte, sowie für die Tötung des Polizisten Sean Collier entschieden sich die Juroren gegen die Todesstrafe. Insgesamt wird das Urteil dadurch jedoch nicht verändert.

Nur durch eine besondere juristische Konstellation war es überhaupt möglich, die Todesstrafe für den Marathon-Attentäter in Betracht zu ziehen. Der liberal geprägte Neuengland-Staat Massachusetts hat diese Strafe bereits in den frühen 1980er Jahren abgeschafft. Die Todesstrafe war nur möglich, weil Ermittler auf Bundesebene den Aufsehen erregenden Fall an sich gezogen hatten. Damit gilt für Dschochar Zarnajew Bundesrecht, und hier ist die Todesstrafe noch erlaubt.

Quelle: ntv.de, mmo/ppo/dpa/rts

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