Nicht zielgerichtet genug Brüssel kritisiert deutsche Gas- und Strompreisbremse
22.11.2022, 18:58 Uhr
EU-Partnerländer hatten das deutsche Sondervermögen zur Eindämmung der Strom- und Gaspreise als unsolidarisch kritisiert.
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Die EU-Kommission stellt ihre Entwürfe für einen Gaspreisdeckel vor. Dabei kritisiert sie die Entlastungen, die der Bund seinen Bürgern zugute kommen lassen will. Fatale Folgen fürchtet sie etwa für die deutsche Staatsverschuldung, sollten weitere Maßnahmen nötig sein.
Die Europäische Kommission hat die Bundesregierung zum Nachbessern ihrer Haushaltspläne für das kommende Jahr aufgefordert. Insbesondere die Vorkehrungen zum Schutz der Verbraucher vor den hohen Energiepreisen seien nicht "zielgerichtet" genug, kritisierte die Behörde in ihrem in Straßburg vorgestellten Bericht über die nationalen Budgetpläne für 2023.
Den Kurs von Bundesfinanzminister Christian Lindner wertet die EU-Kommission als "expansiv". Insgesamt entspreche "der Anstieg der staatlich finanzierten laufenden Primärausgaben nicht der Empfehlung" der EU, heißt es in dem Kontrollbericht.
"Deutschland hat zwar im Rahmen der politischen Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der außergewöhnlichen Energiepreissteigerungen rasch energiepolitische Maßnahmen ergriffen", betont die EU-Kommission mit Blick auf die Strom- und Gaspreisbremse von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Würden die Maßnahmen aber verlängert oder neue nötig, könnte dies "zu einem stärkeren Anstieg der national finanzierten laufenden Nettoausgaben und zu einem Anstieg des projizierten öffentlichen Defizits und Schuldenstands im Jahr 2023 beitragen", warnt die Behörde.
Neun weitere Länder folgen nicht Empfehlungen
"Daher ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten solche Maßnahmen besser auf die am stärksten gefährdeten Haushalte und Unternehmen ausrichten, um Anreize zur Verringerung der Energienachfrage zu erhalten", heißt es weiter. Zudem müssten sie "zurückgenommen werden, wenn der Druck auf die Energiepreise nachlässt". Neben Deutschland halten demnach neun weitere Länder die EU-Empfehlungen bisher nur "teilweise" ein, darunter Österreich und die Niederlande.
EU-Partnerländer wie Italien hatten das deutsche Sondervermögen von 200 Milliarden Euro zur Eindämmung der Strom- und Gaspreise als unsolidarisch kritisiert. Die Brüsseler Behörde bezog in ihre Bewertung allerdings nicht das gesamte deutsche Paket ein, sondern nur die zunächst bekannten Teile davon, wie ein EU-Beamter sagte.
Deutschland darf Firmen trotz der Kritik aus Brüssel mit weiteren Milliarden helfen, um die Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine abzufedern. Die EU-Kommission genehmigte eine entsprechende Änderung bestehender Unterstützungsprogramme. Konkret geht es um mehrere Maßnahmen, die angepasst wurden und nun etwa zusätzlich mit bis zu 45 Milliarden Euro ausgestattet werden.
Neu ist auch, dass Hilfen künftig bis zum 31. Dezember 2023 gewährt werden können. Bislang waren die Maßnahmen nur bis Jahresende angemeldet. Zudem können vom Krieg betroffene Unternehmen im Rahmen einer der Regelungen künftig mit bis zu zwei Millionen statt 500.000 Euro unterstützt werden.
Gaspreisdeckel soll ab 2023 greifen
Zudem stellte die Kommission ihre Pläne für einen Gaspreisdeckel vor. Demnach soll der Preis auf 275 Euro pro Megawattstunde festgelegt werden, wie die Brüsseler Behörde mitteilte. Dies soll für Derivatekontrakte an der niederländischen TTF gelten - dem in Europa maßgeblichen Handelsplatz für Gas.
Der Preisdeckel soll für Kontrakte für einen Monat im Voraus vereinbarte Lieferungen gelten. EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagte, der Deckel würde ab Anfang 2023 für ein Jahr greifen. Haushalte und Unternehmen sollten mit dem Mittel vor extrem Preisausschlägen geschützt werden.
Die Maßnahme sei sorgfältig konzipiert, um Lieferungen nach Europa nicht zu gefährden, die Märkte stabil zu halten und auch die Finanzstabilität zu gewährleisten. Die Idee eines Preisdeckels hatte in vergangenen Monaten die EU immer wieder gespalten. Der jüngste Vorschlag soll am Donnerstag von den Energieministern der 27 EU-Staaten beraten werden.
Quelle: ntv.de, lve/AFP/rts