Politik

Gefoltert, erstickt, verhungert"Container-Massaker": Französische Ermittler nehmen Klage gegen Total-Konzern an

20.11.2025, 17:15 Uhr Sim-IZO7016-2Simone Schlindwein
TotalEnergies-SE-ein-Multi-Energie-Unternehmen-produziert-und-vermarktet-Erdoel-und-Biokraftstoffe-Erdgas-gruene-Gase-erneuerbare-Energien-und-Strom-in-Frankreich-dem-uebrigen-Europa-Nordamerika-Afrika-und-international-Dhaka-Bangladesch-09-Sep-2024
Im Oktober teilte TotalEnergies mit, man wolle das LNG-Projekt in Mosambik wiederbeleben. (Foto: picture alliance / imageBROKER)

Hunderte Zivilisten wurden in Mosambik auf dem Gelände einer Flüssiggasanlage des Total-Konzerns brutal misshandelt, in einem Container eingesperrt zu Tode gefoltert. Eine Klage wirft dem Energiekonzern nun Beihilfe vor.

Eigentlich sollte die Flüssiggasförderung an der Küste Mosambiks für den Energiekonzern Total ein Sprungbrett werden für die Investition in nachhaltige Energien zur Rettung des Planeten. Jetzt wird dem französischen Unternehmen das Projekt in Ostafrika möglicherweise zum Verhängnis.

Als "Container-Massaker" sind die Vorfälle auf dem Total-Gelände im Sommer 2021 in die Geschichtsbücher eingegangen. Zu jener Zeit herrschte im Norden Mosambiks entlang der Grenze zum Nachbarland Tansania ein blutiger Konflikt. Immer wieder überfiel eine islamistische Miliz, die sich der Terrororganisation Islamischer Staat in Ostafrika zugehörig fühlt, die verarmten Dörfer und Siedlungen entlang der Küste nahe dem Ort Palma, wo auch Total seine Anlage für Flüssiggas (LNG) errichtet.

Laut Recherchen der US-Tageszeitung "Politico" vom September 2024 hatte die Miliz im April 2021 die Dörfer auf der Halbinsel rund um die Total-Anlage angegriffen. Hunderte Dorfbewohner flohen damals in Richtung der Gas-Anlage. Sie erhofften sich dort Schutz, denn das Total-Gelände liegt hinter hohen Zäunen und wird von Soldaten der Armee Mosambiks. Sie werden von Total bezahlt und ausgestattet und leben sogar auf dem Gelände. Doch stattdessen erlebten sie schieren Horror, heißt es in dem "Politico"-Artikel.

Im Container eingesperrt: gefoltert, erstickt und verhungert

Die Dorfbewohner seien am Eingangstor von den Soldaten sortiert worden: Frauen und Kinder seien separat untergebracht worden. Zwischen 180 und 250 Männer, die von den Soldaten als Kollaborateure der Miliz betrachtet wurden, seien in Schiffscontainern auf dem Total-Gelände eingesperrt und dort brutal gefoltert worden. Nach drei Monaten Misshandlungen, mit nur wenig Sauerstoff und Nahrung in den Containern hätten nur 26 Männer überlebt, so die Recherchen. Die Männer seien geschlagen, gefoltert und getötet worden, einige erstickten, andere "verschwanden".

Auf Grundlage dieser Vorwürfe hat das in Berlin ansässige Europäische Zentrum für Menschenrechte (ECCHR) eine Klage gegen den Energiekonzern eingereicht - wegen "Beihilfe zu Kriegsverbrechen, Folter und Verschwindenlassens" in Mosambik. Die Klage sei an die französische Staatsanwaltschaft (PNAT) übergeben worden, die neben der Anti-Terror-Bekämpfung das Mandat hat, internationale Verbrechen zu untersuchen, so ECCHR in einer Erklärung.

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Die Armee von Mosambik gilt als unterfinanziert und marode. (Foto: picture alliance/KEYSTONE)

Die Total-Investitionen in Mosambik im Umfang von rund 20 Milliarden Dollar waren von Anfang an umstritten. In der Provinz Cabo Delgado, der ärmsten Region des Landes ganz im Nordosten entlang der Grenze zu Tansania, herrscht seit 2017 ein grausamer Konflikt. Immer wieder dringen Milizen, die mit dem IS verbandelt sind, in die Region ein. Von 2019 an waren dort die Truppen der russischen Söldnerfirma Wagner stationiert, mussten jedoch enorme Verluste einstecken. Mindestens zehn Wagner-Kämpfer wurden enthauptet. 2023 zog Wagner wieder ab.

Um die Anlage zu schützen, hat Total 2020 einen Deal mit der Regierungsarmee von Mosambik eingefädelt. Seitdem waren auf dem Gelände Soldaten stationiert. Die unterfinanzierte und marode Armee des Landes war schon zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen in Verruf geraten.

Total streitet alles ab

Als die "Politico"-Reporter die Total-Geschäftsführung mit den Vorwürfen konfrontierten, gab diese an: Das Flüssiggasprojekt sei nach der Miliz-Attacke zeitweilig eingestellt worden. Alle Mitarbeiter seien von April bis November 2021 - also in dem Zeitraum, als das mutmaßliche Massaker geschah - in Sicherheit gebracht worden, nur die Soldaten seien noch vor Ort gewesen, um das Gelände zu sichern. "Bevor TotalEnergies vom Autor dieses Artikels kontaktiert wurde, hatte das Unternehmen keinerlei Informationen über die im Artikel beschriebenen angeblichen Ereignisse erhalten", so die Stellungnahme des Konzerns 2024.

Der Konzern gab im Oktober dieses Jahres bekannt, dass er die Wiederaufnahme des Projekts anpeilt. Es gebe Pläne, die Förderung im Jahr 2029 wieder zu starten, allerdings mit Zusatzkosten von zusätzlichen vier Milliarden Dollar, so Total.

Ob dies tatsächlich geschieht, ist fraglich. In Mosambik selbst, aber auch in Frankreich wurden bereits Ermittlungen eingeleitet. Die französische Anti-Terror-Staatsanwaltschaft bestätigte den Erhalt der Klage und sagte zu, dem Fall nachzugehen. "Unternehmen und ihre Führungskräfte sind keine neutralen Akteure, wenn sie in Konfliktgebieten tätig sind", bekräftigt Clara Gonzales, zuständig für Wirtschaft und Menschenrechte beim ECCHR. "Wenn sie Verbrechen ermöglichen oder anheizen, könnten sie sich mitschuldig machen und sollten zur Rechenschaft gezogen werden."

Quelle: ntv.de

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