Politik

Die ganze Nacht verhandelt EU verschärft Klimaziel für 2030 deutlich

Charles Michel (M.) verkündete die Einigung - zuvor wurde die gesamte Nacht verhandelt.

Charles Michel (M.) verkündete die Einigung - zuvor wurde die gesamte Nacht verhandelt.

(Foto: AP)

Die Europäische Union will den CO2-Ausstoß bis 2030 deutlich stärker senken als bislang geplant. Um mindestens 55 Prozent soll dieser unter den Wert von 1990 sinken. Die Einigung kommt nach einer durchverhandelten Nacht - Kritikern gehen die Pläne aber nicht weit genug.

Die Europäische Union verschärft ihr Klimaziel für 2030 deutlich. Um mindestens 55 Prozent soll der Ausstoß von Treibhausgasen unter den Wert von 1990 sinken. Dies beschloss der EU-Gipfel in Brüssel am Morgen, wie Ratschef Charles Michel mitteilte. Bisher gilt ein Ziel von minus 40 Prozent. Der Beschluss gelang erst nach Beratungen die ganze Nacht hindurch. Mehrere EU-Staaten wollten Zusagen für finanzielle Hilfen für die Energiewende. Zum Schluss blockierte nach Angaben von Diplomaten Polen stundenlang den Gipfelbeschluss, weil es weitere Zusicherungen wollte. Bis 2018 waren die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 erst um 22,5 Prozent gesunken, wie Eurostat-Zahlen zeigen.

Die Verschärfung soll helfen, das Klimaabkommen von Paris umzusetzen und die gefährliche Erwärmung der Erde zu bremsen. Das neue Ziel soll noch vor Jahresende an die Vereinten Nationen gemeldet werden. Es ist eine Etappe auf dem Weg, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, also alle Treibhausgase zu vermeiden oder zu speichern. Nötig sind unter anderem eine schnelle Abkehr von Kohle, Öl und Gas, ein rascher Umstieg auf Ökostrom und Fahrzeuge ohne Abgase sowie die Renovierung von Millionen Häusern. Das bedeutet hohe Milliardeninvestitionen. Doch sehen Befürworter im Umbau der Wirtschaft auch Chancen für neue Jobs und Wohlstand.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte beim Gipfel für das neue 55-Prozent-Ziel geworben. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron machte sich dafür stark. "Wir müssen unsere Zusagen mit Blick auf 2030 erhöhen", sagte Macron. "Das wird von Europa erwartet." Doch gab es bei einigen Ländern Vorbehalte. Einige östliche EU-Staaten sind stark auf Kohle angewiesen und haben bei der Energiewende einen weiteren Weg zurückzulegen. Sie pochten auf finanzielle Unterstützung.

Auch Corona-Fonds soll genutzt werden

Dafür sind Milliardentöpfe geplant: ein Modernisierungsfonds, der aus Einnahmen aus dem Emissionshandel gespeist wird; ein Fonds für gerechten Wandel, aber auch der 750 Milliarden schwere Corona-Aufbaufonds, der zu mindestens 30 Prozent zur Umsetzung der Klimaziele genutzt werden soll. Das Haushaltspaket war zuletzt wegen eines Vetos durch Ungarn und Polen blockiert. Eine Einigung im Haushaltsstreit bahnte beim Gipfel auch den Weg für den Klimabeschluss.

Das Pariser Klimaabkommen von 2015 sieht vor, dass die Erderwärmung bei unter zwei Grad gestoppt wird, möglichst sogar bei 1,5 Grad, gemessen jeweils an der vorindustriellen Zeit. Dafür reichen die bisherigen Zusagen der rund 190 Mitgliedsstaaten aber nicht. Deshalb ist im Vertrag vorgesehen, dass alle fünf Jahre nachgebessert wird.

Merkel äußerte sich zufrieden mit den Ergebnissen des EU-Gipfels geäußert. Dabei lobte sie besonders den Beschluss der 27 EU-Staats- und Regierungschefs zum Klimaschutz. Das Ziel, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, sei "ein ganz, ganz wichtiges", sagte Merkel zum Abschluss des Gipfels. "Dafür hat es sich gelohnt, eine Nacht nicht zu schlafen."

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat sich erfreut über die Einigung der EU-Staaten auf ein ehrgeizigeres Klimaschutzziel gezeigt. "Das ist eine sehr gute und wichtige Einigung, für die wir in der Bundesregierung in den vergangenen Monaten hart gearbeitet haben", erklärte die SPD-Politikerin. "Europa begibt sich damit auf einen glaubwürdigen Pfad hin zur Treibhausgasneutralität 2050." Die EU stelle unter Beweis, dass sie das UN-Klimaabkommen ernst nehme, und gehöre jetzt international wieder zu den Vorreitern. Nun könnten die EU-Umweltminister in der kommenden Woche die Position der Mitgliedsstaaten zum geplanten EU-Klimagesetz festzurren.

Kritik von Umweltschützern

Deutsche Umweltverbände kritisierten dagegen die klimapolitischen Beschlüsse des EU-Gipfels als unzureichend. "Das 55-Prozent-Netto-Ziel reicht nicht zur Bewältigung der Klimakrise", erklärte WWF-Vorstand Eberhard Brandes zu dem Kompromiss der Staats- und Regierungschefs. Er forderte Nachbesserungen in den nun anstehenden Verhandlungen mit der EU-Kommission und vor allem dem Europäischen Parlament, das eine CO2-Minderung um 60 Prozent erreichen will.

Auch Greenpeace geht der EU-Beschluss nicht weit genug. "Um eine Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad mit großer Wahrscheinlichkeit zu erreichen, wären 65 Prozent weniger Treibhausgase in der EU nötig", sagte Deutschland-Chef Martin Kaiser. Zudem rechne sich die EU das neue Klimaziel schön, weil erstmals auch die Klimagase einberechnet werden sollen, die in Wäldern und anderen "Senken" gespeichert werden. Der Grünen-Politiker Sven Giegold kritisierte darüber hinaus, dass sich die EU-Staaten das neue Ziel nur "kollektiv" vornehmen, aber keine nationalen Klimaziele festlegten.

Quelle: ntv.de, vpe/dpa/rts

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