
Eine Impfung, viele Meinungen.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Die Corona-Testpflicht bei gleichzeitigem Auslaufen der Bürgertests ist das, was Impfgegner sagen: eine Impfpflicht durch die Hintertür. Angesichts stagnierender Impfzahlen fällt den Regierenden nichts Besseres ein, als Druck auszuüben. Das ist legitim, muss aber auch benannt werden.
Einen Monat ist es her, dass Bundeskanzlern Angela Merkel beteuerte: "Wir wollen keine Impfpflicht, sondern wir werben für das Impfen." Vier Wochen später ist die faktische Impfpflicht da und zwar genau so, wie es die Gegner der Corona-Politik schon immer haben kommen sehen: durch die Hintertür. Denn selbstverständlich ist der am Dienstag gefasste Beschluss, für Ungeimpfte den Zugang zu weiten Teilen des öffentlichen Lebens an kostenpflichtige Tests zu koppeln, genau das.
Wenn Bürgertests nicht länger gratis sind, ist das 3G-Prinzip - geimpft, genesen, getestet - außer Kraft gesetzt, weil die Option "getestet" nicht mehr allen Bürgern zugänglich ist. Kein Mensch mit niedrigem Einkommen kann sich den Testaufschlag für jeden Besuch beim Frisör, im Museum oder Sportstudio auf Dauer leisten. Weil Menschen mit niedrigem Einkommen tendenziell öfter ungeimpft sind, während sie wegen ihrer Wohn- und Arbeitsverhältnisse ungewollt zu den Treibern der Pandemie gehören, zielt die Kostenpflichtigkeit der Tests auf eben diese Bevölkerungsgruppe. Und genau deshalb wird die Strategie auch einen spürbaren Effekt bei der Impfquote haben.
Rückgrat statt Haarspalterei
Den Weg des Drucks zu gehen, ist die einzig mögliche Konsequenz aus der begründeten Annahme, dass niedrigschwellige Angebote allein wohl nicht ausreichen werden, um eine ausreichend hohe Durchimpfungsquote zu erreichen. Politiker mit Rückgrat würden das so aussprechen. Andere betreiben lieber Haarspalterei und verwenden Energie darauf, eine Impfpflicht durch die Hintertür zu bestreiten - als ob der Begriff Impfpflicht erst gilt, wenn auch Menschen unter Gewaltanwendung zwangsgeimpft würden.
Konsequenter und ehrlicher als das 3G-Prinzip mit kostenpflichtigen Tests ist da der 2G-Ansatz, also Innenraum-Veranstaltungen und -dienstleistungen gleich Geimpften und Genesenen vorzubehalten. Das wäre der faktische Impfzwang durch die Vordertür, der auch keinen Unterschied zwischen den Einkommensgruppen macht. Zu den Fürsprechern zählt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Vorsitzende vertraut darauf, dass sich die Impf-Faulen unter dem Druck bewegen werden, während die Impf-Verweigerer auch durch gutes Zureden nicht vom Gegenteil ihrer Weltanschauung zu überzeugen sind.
Zwang verlangt Begründung
In mindestens einem Punkt hat er damit Recht: Wer jetzt für Klarheit sorgt, muss es nicht im Herbst tun, wenn die Politik im Nachgang der Bundestagswahl lahmgelegt sein und das Kind womöglich schon im Brunnen liegen wird, weil Kliniken absehbar überlastet sind mit schwererkrankten Ungeimpften. So ein Szenario zu riskieren, um im laufenden Wahlkampf keine Wählerstimmen zu riskieren, ist den Ungeimpften gegenüber unaufrichtig und hilft den Geimpften, insbesondere den Beschäftigten im Gastronomie- und Kulturbetrieb, nicht weiter. Und auch nicht den zum Maskentragen verdonnerten Schülerinnen und Schülern.
Stand heute scheitert entweder das Projekt "Pandemie wegimpfen" daran, dass die politisch Verantwortlichen nicht genügend Freiwillige zusammenbekommen haben, oder aber sie bekennen sich dazu, dass sie zugunsten einer hohen Durchimpfung auch Zwangsmittel einsetzen - sei es beim Geld oder der gesellschaftlichen Teilhabe. Derart tiefgreifende Maßnahmen verlangen, so viel Ehrlichkeit muss sein, eine offene Debatte und überzeugende Argumente, damit sie eine breite Mehrheit mitträgt. Solch eine Impfpflicht durch die Vordertür ist allemal demokratischer, wenn auch ganz sicher kein Spaziergang.
Quelle: ntv.de