Stichwahl zeichnet sich ab Erdogan liegt vorn, aber unter 50 Prozent
14.05.2023, 22:08 Uhr Artikel anhören
Amtsinhaber Erdogan, hier bei der Stimmabgabe in Istanbul, muss möglicherweise in die Stichwahl.
(Foto: IMAGO/SNA)
Der türkische Präsident Erdogan liegt bei der Stimmauszählung vorn. Nach derzeitigem Stand kann er die Präsidentschaftswahlen aber nicht im ersten Wahlgang für sich entscheiden. Beide Kandidaten geben sich mit Blick auf eine Stichwahl siegessicher.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan liegt nach Angaben der Wahlbehörde im Rennen um das Präsidentenamt vorne, muss sich aber voraussichtlich einer Stichwahl am 28. Mai stellen. Im Inland seien rund 95 Prozent der Wahlurnen ausgezählt sowie rund 37 Prozent der Urnen im Ausland, sagte der Chef der Wahlkommission, Ahmet Yener. Demnach erhielt Erdogan 49,49 Prozent der Stimmen, Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu 44,79 Prozent.
Auf dem abgeschlagenen dritten Platz landete mit rund 5,3 Prozent Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz. Muharrem Ince von der Vaterlandspartei hatte seine Kandidatur kurz vor der Wahl zurückgezogen, sein Name stand aber noch auf den Stimmzetteln. Für Ince wurden 0,43 Prozent ausgezählt. Wichtig bei der Stichwahl wird sein, welche Wahlempfehlung der drittplatzierte Ogan abgibt.
Kilicdaroglu trat in der Nacht gemeinsam mit den Parteichefs seines Sechser-Wahlbündnisses vor die Presse. "Erdogan hat trotz seiner Diffamierungen und Beleidigungen nicht das Ergebnis erreicht, das er sich erwartet hatte", sagte er. Die Opposition werde gewinnen und dem Land Demokratie bringen.
Erdogan zeigte sich bereit für eine Stichwahl. "Wir wissen noch nicht, ob die Wahl in der ersten Runde zu Ende sein wird, aber wenn die Menschen uns in eine zweite Runde schicken, werden wir das auch respektieren", sagte er in der Nacht vor jubelnden Anhängern in Ankara. Erdogan behauptete, er habe eine "klare Führung" gegenüber seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu.
Opposition appelliert: "Verlasst die Urnen nicht"
Die größte Oppositionspartei CHP hatte der islamisch-konservativen AKP Erdogans vorgeworfen, bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse in Hochburgen der Opposition einzulegen. Dadurch werde die Auszählung langsamer gemacht, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus. In Ankara gebe es etwa bei 300 Wahlurnen Einsprüche, in Istanbul rund 780, sagte Kilicdaroglu. "Es gibt Urnen, gegen die elf Mal Einspruch erhoben wurde", so der Oppositionsführer. Er rief seine Anhänger dazu auf, bis zum Ende der Auszählung bei den Wahlurnen zu bleiben. "Verlasst die Urnen und die Wahlkommissionen niemals", sagte er in der Nacht. "Wir bleiben hier, bis jede Stimme ausgezählt ist."
Der Wahlkampf war angespannt und galt als unfair, vor allem wegen der medialen Übermacht der Regierung. Bestimmendes Thema war die schlechte wirtschaftliche Lage mit einer massiven Inflation. Erdogan versprach unter anderem eine Anhebung von Beamtengehältern und weitere Investitionen in die Rüstungsindustrie. Er führte eine aggressive Kampagne und beschimpfte die Opposition als "Terroristen". Erdogan regiert das Land mit seinen 85 Millionen Einwohnern seit zwei Jahrzehnten; seit 2003 zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident.
Quelle: ntv.de, hvo/ino/A/F/dpa