An vorderster Front Für Russland sind die Storm-Z-Truppen "nur Fleisch"
04.10.2023, 04:11 Uhr Artikel anhören
Ein Screenshot aus einem Video, das Kämpfer einer Storm-Z-Truppe zeigt, die erklären, dass sie nicht mehr in der Ukraine kämpfen werden.
(Foto: via REUTERS)
Betrunken, ungehorsam, verurteilt. Im Ukraine-Krieg setzt Russland Storm-Z-Truppen ein, eine Mischung aus Straftätern und bestraften Soldaten. Für die Einheiten geht es an die vorderste Front - für den Kreml sind sie die entbehrliche Infanterie.
Innerhalb der russischen Armee gibt es einem Bericht zufolge Strafeinheiten, die Storm-Z genannt werden. Sie bestünden aus etwa 100 bis 150 Mann, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf 13 Personen, darunter Storm-Z-Kämpfer und deren Verwandte. Betrunkene oder ungehorsame Soldaten sowie aus Gefängnissen rekrutierte Straftäter würden zu diesen Truppen geschickt, die meist an den gefährlichsten Frontabschnitten kämpfen müssten, heißt es in dem Bericht.
"Sturmkämpfer sind nur noch Fleisch", sagte ein Zeitsoldat der Einheit 40318, die im Mai und Juni in der Nähe der umkämpften Stadt Bachmut in der Ostukraine eingesetzt war. Er habe eine Gruppe von sechs oder sieben verwundeten Storm-Z-Kämpfern auf dem Schlachtfeld medizinisch versorgt und dabei den Befehl eines Kommandanten missachtet, die Männer zurückzulassen. Er wisse nicht, warum der Kommandeur den Befehl gegeben habe. Dies sei jedoch ein typisches Beispiel dafür, wie die Storm-Z-Kämpfer von den Offizieren als weniger wertvoll angesehen würden als normale Truppen. Aus Furcht vor einer strafrechtlichen Verfolgung in Russland wollen die Soldaten anonym bleiben.
Storm-Z ist eine inoffizielle Bezeichnung der russischen Truppen, die einen Begriff für Sturmtruppen mit dem Buchstaben Z kombiniert, der von den Militärs als Symbol für ihren Einmarsch in die Ukraine verwendet wird. Selbst staatliche russische Medien haben bereits von der Existenz der Storm-Z-Truppen und deren Teilnahme an heftigen Gefechten berichtet. Einige der Mitglieder hätten Tapferkeitsmedaillen erhalten, aber von deren Ausbildung wird nicht berichtet, ebenso wenig wie von Verlusten.
Die etwa 100 bis 150 Mann starken Strafeinheiten, die in reguläre Armee-Einheiten eingebettet sind, wurden in der Regel in die am stärksten gefährdeten Teile der Front geschickt. Dort erlitten sie oft schwere Verluste. Drei der befragten Storm-Z-Kämpfer berichteten von albtraumhaften Gefechten, bei denen ein Großteil ihrer Truppen ausgelöscht wurde. Ein wegen Diebstahls verurteilter Kämpfer, der aus dem Gefängnis rekrutiert wurde, sagte, dass alle bis auf 15 der 120 Männer seiner Einheit, die dem 237. Regiment angehören, bei den Kämpfen in der Nähe von Bachmut im Juni getötet oder verwundet wurden.
"An den gefährlichsten Stellen der Front"
Laut Conflict Intelligence Team, einer unabhängigen Organisation, die den Krieg verfolgt, sind die Storm-Z-Einheiten für das russische Verteidigungsministerium nützlich, weil sie als entbehrliche Infanterie eingesetzt werden können. "Diese Kämpfer werden einfach an die gefährlichsten Stellen der Front geschickt, zur Verteidigung und zum Angriff", erklärte die in Russland gegründete Gruppe.
Das russische Verteidigungsministerium hat die Bildung von Storm-Z-Einheiten nie zugegeben. Die ersten Berichte über ihre Existenz tauchten im April auf, als das Institute for the Study of War einen anscheinend durchgesickerten russischen Militärbericht über die Bildung der Truppen zitierte. Wie viele Soldaten insgesamt in den Einheiten dienen, ist unklar.
Präsident Wladimir Putin nahm am Freitag Bezug auf Sträflinge, die in der regulären Armee kämpfen. Bei einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit einer kleinen Gruppe regulärer russischer Soldaten sagte er, er wisse, dass zwei ihrer Kameraden, ehemalige Gefängnisinsassen, im Kampf gefallen seien. "Sie haben ihr Leben für das Vaterland geopfert und sich von ihrer Schuld freigesprochen", sagte Putin und fügte hinzu, dass die Familien der Verurteilten Unterstützung erhalten würden, ohne dies näher zu erläutern.
Der Einsatz der Storm-Z-Truppen stellt für Russland in der Ukraine eine Neuerung dar: Während die Söldnertruppe Wagner - die nach einer Meuterei im Juni aufgelöst wurde - Sträflinge zum Kampf an die Front schickte, stehen die Storm-Z-Einheiten unter dem direkten Kommando des Verteidigungsministeriums. In den Einheiten werden Sträflinge mit regulären Soldaten kombiniert, die wegen disziplinarischer Verstöße bestraft werden.
Nach den russischen Rechtsvorschriften über die Militärdisziplin kann ein Soldat nur dann in eine Strafeinheit versetzt werden, wenn er von einem Militärgericht verurteilt wurde. Keiner der von Reuters befragten Soldaten habe an einer Gerichtsverhandlung teilgenommen. In der russischen Armee sei bereits der Anflug von Trunkenheit ein Grund, versetzt zu werden. "Wenn die Kommandanten jemanden mit Alkoholgeruch im Atem erwischen, schicken sie ihn sofort zu den Sturmtruppen", sagte einer von ihnen.
Auf Nachfrage von Reuters lehnte ein Offizier der Einheit 40318 eine Stellungnahme zu Storm-Z ab. Der Kreml verwies die Fragen von Reuters an das russische Verteidigungsministerium, das auf eine Bitte um Stellungnahme nicht reagierte.
Quelle: ntv.de, Polina Nikolskaya and Maria Tsvetkova, rts