
Vorreiter auf dem weißen Elefanten: Edmund Stoiber überreicht ein Gastgeschenk an den damaligen US-Präsidenten George W. Bush.
(Foto: REUTERS)
Es versteht sich ja von selbst, dass Jens Spahn Deutsch spricht, um CDU-Vorsitzender zu werden. Die Frage ist bloß: Warum spricht er auch konfuses Denglisch? Und was hat das mit weißen Elefanten zu tun?
Vor drei Jahren, als Jens Spahn Staatssekretär im Finanzministerium war, trug er auch den Titel "Beauftragter für FinTech". Ausgeschrieben bedeutet das "Finance" oder "Financial Technology", was wiederum als "Finanztechnologie" ins Deutsche übertragen wird. So wie wir das heutzutage häufig mit englischen Wörtern und Wendungen machen: Wir adaptieren sie stumpf 1:1, ganz gleich, wie sie dann klingen und wie sinnvoll sie noch sind. Es ist eine Krankheit, die ich "Anglizitis" nenne und die sich in verschiedenen Krankheitsstadien äußert. Zum Beispiel:
- "Die US Administration" statt "Die Regierung der USA"
- "Ich gehe für einen Kaffee" statt "Ich hätte gerne einen Kaffee"
- "Ich mache Freunde" statt "Ich finde Freunde"
- "Ich exekutiere das" statt "Ich mache das"
- "Wir machen Liebe und das macht Sinn" statt … ach lassen wir das …
Ein vergleichbares Krankheitssymptom ist der "weiße Elefant", den Jens Spahn vergangene Woche per Zeitungsartikel in unseren öffentlichen Raum gestellt hat. Es war ausgerechnet in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die einst Edmund Stoiber zu einem Vorreiter in Sachen weiße Elefanten machte, nachdem er der US-Administration einen Porzellanelefanten überreicht hatte: als Gastgeschenk für George W. Bush. Jeder, der den englischen Ausdruck "white elephant" kennt, durfte darüber tatsächlich kurz schmunzeln. Denn er bedeutet so viel wie ein teures, nutzloses Geschenk. Oder eine Fehlinvestition. Womit wir wieder bei "FinTech" sind. Und bei Jens Spahn.
Kritik an "Foodblogger" und "Eateries"
Er möchte gerne bald CDU-Vorsitzender werden und mit Sicherheit auch irgendwann Bundeskanzler. So sehr man vielleicht bei Christian Lindner Bedenken (first!) haben könnte, dass er mit Eintritt in eine Regierung auch gleich zum Beauftragten für Denglisch wird, so schien seit zwei Jahren festzustehen, dass Jens Spahn die deutsche Öffentlichkeit mit deutsch-englischem Kauderwelsch verschonen würde. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" hatte er sich über Englisch sprechende Menschen in Berlin beklagt und in der "Zeit" nachgelegt und sich über "Foodblogger" und "Eateries" in Kreuzberg mokiert.
Insgesamt hinterließ er damals den Eindruck, dass er das zunehmende Englisch in unserer Hauptstadt selbst für eine Krankheit oder gar eine Seuche zu halten scheint, die geheilt und ausgerottet werden muss. An eine natürliche und mit Sicherheit hier und da etwas übertrieben demonstrativ gelebte Sprachevolution schien er gar nicht zu denken, ungefähr so, als wäre er gegen gleichgeschlechtliche Ehen, weil ihm "Pride Parade" und CSD etwas übertrieben erscheinen.
In seinem Zeitungstext hat Spahn nun offenbart, dass auch er nicht ohne Englisch kann, und zwar in einer Weise, die außer ihm selbst niemand mehr genau versteht. Jedenfalls hat er mir als "Denglischem Patienten" ein Rätsel aufgegeben, als er "die Migration" in der FAZ ganz generell "als weißen Elefanten im Raum" bezeichnete. Neben dem Ausdruck des "weißen Elefanten" griff Spahn auf ein weiteres Sprachbild zurück: Im Englischen bezeichnet man ein sehr großes Problem, über das nicht offen gesprochen wird, als "elephant in the room".
Ob Jens Spahn das wirklich sagen will?
Klar könnte es - Denglisch gesagt - "Sinn machen", wenn man beide Idiome zusammenschraubt: als ein Tabu, das sich aus der teuren Flüchtlingspolitik ergeben haben könnte, gewissermaßen als Fehlinvestition von Angela Merkel, die sie jetzt totschweigen möchte. Doch ob Jens Spahn das wirklich sagen will? Und wenn ja: Warum hat er es nicht gleich so geschrieben, zum Beispiel: "Niemand spricht darüber, wie groß und unkalkulierbar die Migrationspolitik der Kanzlerin wirklich ist"?
Besonders bemerkenswert war an Spahns Text über das weiße Trampeltier allerdings auch, dass er nicht nur in seinem Büro und später in der Redaktion der FAZ durch mehrere Hände und kluge Köpfe mit deutschem Sprachhintergrund ging. Auch Spiegel-Autor Henrik Müller hat den "weißen Elefanten im Raum" aufgenommen wie ein hübsches Geschenk.
Dabei waren es doch gerade Redakteure des "Spiegel", die vor einiger Zeit vorgemacht haben, wie sich die gemeine grassierende Anglizitis wirkungsvoll bekämpfen lässt: mit unserer Muttersprache! Man braucht sie bloß kreativ zu bemühen. Aus dem sperrigen und allgemein unverständlichen Anglizismus "Nonproliferation" dichteten sie damals den "Atomwaffensperrvertrag".
Damit waren dann am Ende des Tages alle fein!
Quelle: ntv.de