Politik

Abschied im GrollHabeck scheitert an Deutschland

24.02.2025, 13:56 Uhr a6d1097d-155c-4edc-b000-7806375dfbdb~1Sebastian Huld
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Die neue Freiheit: Habeck machte in der Bundespressekonferenz keinen Hehl darum, was er über manche Fragen dachte. (Foto: picture alliance/dpa)

Geradezu grantig gibt Robert Habeck sein vorläufiges Aus als Spitzenpolitiker bekannt. Der scheidende Wirtschaftsminister ist entnervt von drei Jahren Ampel und einem enttäuschenden Wahlergebnis. Fehler bei sich selbst sieht er - zumindest öffentlich - nicht.

Soll niemand sagen, Robert Habeck sei kein authentischer Politiker. Klar, auch der Kanzlerkandidat der Grünen beherrscht das Spiel der Inszenierung und der professionellen Fassade. Die Stimmungslage des scheidenden Vize-Kanzlers war in den vergangenen drei Jahren aber dennoch häufig gut ablesbar - an seiner Mimik, an seiner Körperhaltung und zuweilen auch am Ausmaß von Tränensäcken und Stoppelbart. Der bisherige Bundeswirtschaftsminister war oft genervt, müde und gestresst. Dem Kraftakt des Daseins als Spitzenpolitiker hat Habeck in seiner Amtszeit ein Gesicht verliehen. Das dürfte zu seinen hervorragenden Umfragewerten in puncto Sympathie und Glaubwürdigkeit beigetragen haben.

Gereicht hat es indes nicht: Robert Habeck will nach einem für die Grünen und ihn persönlich enttäuschenden Wahlergebnis keine Führungsrolle mehr in seiner Partei einnehmen, teilte er am Vormittag nach der Wahlnacht mit. Die Spannung in seinem Körper war schon am Vorabend entwichen. Mit verschränkten Armen saß er in der Elefantenrunde der Spitzenkandidaten. Schmallippig und teils grantig wie nie zuvor beantwortete er am folgenden Morgen die Fragen der versammelten Hauptstadtpresse.

Einen Fehler bei sich und seinem Wahlkampf wollte er nicht erkennen oder einräumen. "Das Angebot war top, die Nachfrage war nicht so", sagte Habeck über seine Kampagne als Kanzlerkandidat. Und auch wenn er es bestritt, Groll zu hegen, war dieser doch erkennbar: Habeck ist enttäuscht bis entnervt, wie in diesem Land Politik gemacht wird. Er verstehe, dass die Kritiker der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD auf die "Barrikaden" wollten und lieber Linke als Grüne gewählt haben. "Dieses Angebot konnte ich nicht machen", sagte Habeck. Er wollte - musste - die Grünen partout gesprächsfähig halten mit CDU und CSU.

Der "Bündniskanzler" war nicht unumstritten

Was Habeck nicht sagte: Die Rufe nach Barrikaden kamen nicht zuletzt aus den eigenen Reihen. Fraktionsführung und Parteivorsitze befeuerten die Empörungswelle über die vermeintlich eingerissene Brandmauer. Sie bedachten dabei nicht, dass dies den Grünen auf die Füße fallen würde, wenn sie sich nicht zugleich maximal von der Union distanzieren. Damit wurde schon vor dem Wahltag ein Konflikt deutlich, den die Partei bis dahin mit einiger Mühe überdecken konnte: Habecks strikter Mitte-Kurs, sein Bemühen um Anschlussfähigkeit in alle Richtungen - Stichwort "Bündniskanzler" - war intern alles andere als unumstritten.

Die Ausrichtung der Grünen im Bundestagswahlkampf war Habecks Kurs, das Ergebnis seiner Überlegungen und Einsichten. Die Wahlkampagne entsprechend aufzuziehen, maximale Beinfreiheit zu bekommen, hatte er sich als Voraussetzung seiner Spitzenkandidatur ausbedungen. Die Partei nahm es mangels Alternativen hin. Doch nicht nur bei der Grünen Jugend sorgten etwa seine migrations- und sicherheitspolitischen Forderungen für Bauchgrummeln. Auch die in der Wahlkampagne weniger offensive klimapolitische Ausrichtung war vielen ein Dorn im Auge.

Die anderen haben "größere Böcke geschossen"

Entsprechend könnte Habeck nach diesem Wahlergebnis eine Führungsposition auch nicht einfordern, selbst wenn er sie wollte. Selbst einen vollständigen Rückzug aus der Bundespolitik, also einen Verzicht auf das Bundestagsmandat, hielt er sich am Montag offen. Die Fehleranalyse zum Wahlergebnis fiel dennoch selbstbewusst aus: "Fehler und Fehlerchen und Unsauberkeiten" habe es gegeben, sagte Habeck. Aber: "Da haben alle anderen Parteien, glaube ich, größere Böcke geschossen."

Insbesondere der Union lastet Habeck an, den Wahlkampf polarisiert und so die Ränder gestärkt zu haben, Linke und AfD gleichermaßen. Habeck verurteilt den Populismus der anderen, erwähnt den der eigenen Partei aber lieber nicht. Und er will weiterhin nicht wahrhaben, wie gnadenlos ihm der Streit um das Heizungsgesetz anhaftet. Zu Recht oder zu Unrecht. Bei vielen Menschen ist hängengeblieben, dass die Grünen die Alltagssorgen der ganz normalen Menschen nicht verstehen.

Dabei ist Habeck nachvollziehbar stolz darauf, so viel für das Leben der Menschen getan zu haben. Als 2022 kein Gas, kein Öl und auch keine Kohle mehr aus Russland kamen, war es maßgeblich sein Ministerium, das die Abkehr von den russischen Energieträgern gemanagt hat, ohne dass in Deutschland Fabriken runterfahren und Wohnungen kalt bleiben mussten. Auch die Rekordinflation bekam die Ampel-Koalition in den Griff. Doch rückgängig machen konnte sie den erlittenen Kaufkraftverlust nicht. Die Wählerinnen und Wähler haben sich entsprechend bei den bisherigen Regierungsparteien revanchiert. An Wladimir Putin konnten sie ihren Frust und ihre Sorgen schlecht auslassen.

Frustriert von Vereinfachungen

Dass nicht nur AfD und BSW diese Sorgen befeuerten und die Verantwortung einseitig der Ampel in die Schuhe schoben, sondern auch die Union, hat Habeck erkennbar frustriert. Eine solche Vereinfachung von politischen Realitäten verachtet der Mann, der Politik nie in einfachen Hauptsätzen erklärt. Es braucht immer viele Nebensätze und dazwischen ein "wenn ich das so sagen darf", wenn Habeck Zustände und Herausforderungen erklären will. Vertrauenswürdig und sympathisch fanden das offensichtlich viele seiner Zuhörer. Doch Kompetenz und Führungsstärke leiteten sie daraus mehrheitlich nicht ab.

Robert Habeck ist eine Zeit lang so etwas wie ein Popstar der Bundespolitik gewesen. Der Mann in Lederjacke oder im kuscheligen Strickpullover. Der Mann, der so anders sprach, weil er ein Leben vor der großen Politik hatte und die Sprache für den Autor mehr ist als ein Werkzeug der Macht. Der Zuspruch hat ihm geschmeichelt und ließ den Mann aus dem Norden von Größerem träumen: davon, eine andere Art von Politik in Deutschland populär zu machen, einen ganz anderen Typ Politiker als die bisherigen Regierungschefs ins Kanzleramt zu bringen - ihn selbst. Er hat das wirklich gewollt, obwohl im vieles keinen Spaß gemacht hat.

Die Hauptstadtpresse ist Habeck suspekt geblieben. Der Mann, der in seinen guten Momenten im Fernsehen immer ganz wunderbar mit Moderatoren parlieren konnte, pflegte mit zunehmender Regierungs- und Leidenszeit ein immer angespannteres Verhältnis zu den Medien. Kritik traf ihn persönlich, Vereinfachungen verzieh er Journalisten genauso wenig wie den politischen Wettbewerbern. Dieser Frust brach auch aus ihm heraus, als er Fragesteller auf der Bundespressekonferenz am Nachwahltag regelrecht anblaffte. Das Nervenkostüm ist blank.

Nicht zurück auf Anfang, aber wieder bei 12 Prozent

Blank ist nun aber auch seine Partei: Cem Özdemir will Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden. Die übrigen Bundesminister sind blass geblieben. Der erst im November eingesetzte Parteivorstand müht sich noch um Profil und Professionalisierung. Die bisherigen Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge müssen nicht die künftigen sein. Als Habeck vor sieben Jahren und einem Monat zusammen mit Annalena Baerbock den Parteivorsitz übernahm, lagen die Grünen im RTL/ntv-Trendbarometer bei 12 Prozent. Im Jahr zuvor hatten sie 8,9 Prozent bei der Bundestagswahl eingefahren.

Nun steht die Partei wieder bei 12 Prozent, genau: bei 11,6. Sie hat eine Rekordzahl an Mitgliedern und diese auch während Habecks Kampagne deutlich ausbauen können. Die Grünen regieren in fünf Bundesländern mit, auch wenn es zwischenzeitlich einmal acht waren. Die Partei ist nicht zurück auf Anfang, aber doch weit von der Verankerung in der politischen Mitte entfernt, die sich Habeck zum Ziel seines bundespolitischen Wirkens gemacht hatte. Ob damit das Kapitel Politik für Robert Habeck beendet ist, weiß zu diesem Zeitpunkt vielleicht nicht einmal er selbst. Erst einmal muss er Land und Politikbetrieb verzeihen, dass sie sein Angebot abgelehnt haben.

Quelle: ntv.de

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