Politik

Tödlicher Streit in Chemnitz Haftbefehle nach Messerstecherei erlassen

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Nach dem Todesfall warfen Demonstranten Flaschen auf Polizisten und bedrohten Ausländer.

(Foto: dpa)

Nach dem Todesfall beim Chemnitzer Stadtfest erlässt das Amtsgericht Haftbefehle gegen zwei junge Männer aus Syrien und dem Irak. Sie sollen nach einem Streit auf das Opfer eingestochen haben. Unterdessen bereitet sich die Polizei auf weitere Proteste vor.

Einen Tag nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes in Chemnitz hat das Amtsgericht der Stadt Haftbefehle wegen gemeinschaftlichen Totschlags gegen einen 23-jährigen Syrer und einen 22-jährigen Iraker verhängt. Die beiden sollen am frühen Sonntagmorgen in der Innenstadt nach einem Streit mehrfach auf einen 35-jährigen Deutschen eingestochen haben. Das Opfer erlag kurz darauf im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Die beiden Tatverdächtigen waren bereits am Sonntag vorläufig festgenommen worden, nachdem sie zunächst vom Tatort geflüchtet waren.

Das Tatmotiv sowie der genauer Ablauf der Tat bleiben weiter im Dunkeln. Die Staatsanwaltschaft gab dazu mit Verweis auf die andauernden Ermittlungen nichts bekannt. Die Polizei dementierte Gerüchte, wonach es angeblich einen zweiten Todesfall gegeben habe. Zuvor hatte sie bereits Spekulationen zurückgewiesen, wonach der Auseinandersetzung die Belästigung einer Frau vorausgegangen sein soll. Sachsens Innenminister Roland Wöller sagte bei einer Pressekonferenz, im Netz seien Fehlinformationen und Lügen verbreitet worden. Wer sich informieren wolle, solle sich aus erster Hand über die Twitter- und Facebookkanäle der sächsischen Polizei informieren.

Nach dem Tötungsdelikt hatten unter anderem die AfD und rechtsextreme Hooligans zu Protesten in der Chemnitzer Innenstadt aufgerufen. Die Polizei spricht von einer Ansammlung von etwa 800 Personen, darunter 50 gewaltbereite Demonstranten, die den Ton angaben. Auf Videos ist zu sehen, wie Ausländer aus der Menge heraus attackiert wurden. Zu hören sind Rufe wie "Wir sind das Volk", aber auch rechte Parolen wie "Deutsch, sozial, national". Außerdem bewarfen Teilnehmer der Proteste die Polizei mit Flaschen und leisteten eindeutigen Aufforderungen keine Folge.

Laut Polizeipräsidentin Sonja Penzel liegen der Polizei bislang drei Anzeigen von Geschädigten vor. Demnach soll einem jungen Afghanen am Sonntagabend das Handy aus der Hand geschlagen und anschließend auch dessen deutsche Begleiterin attackiert worden sein. An einer Haltestelle soll zudem ein 18-jähriger Syrer geschlagen, am Neumarkt ein 30-jähriger Bulgare von einem Unbekannten festgehalten und bedroht worden sein. Penzel rief Zeugen dazu auf, eventuell vorhandene Videos von den Ausschreitungen an die Behörden zu übergeben.

Kretschmer verurteilt "widerliche" Stimmungsmache

Die Bundesregierung verurteilte "Hetzjagden" auf Ausländer aufs Schärfste. Es dürfe keine "Selbstjustiz" geben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Was in Chemnitz vorgefallen sei, habe "in unserem Rechtsstaat keinen Platz". Die Polizei werde die schreckliche Bluttat nun "mit allem Einsatz" aufklären. "So und nicht anders geht man in einem Rechtsstaat mit Straftaten um", sagte Seibert.

Gleichzeitig sieht sich die Chemnitzer Polizei für geplante neue Kundgebungen am Abend gut aufgestellt. Im Internet riefen unter anderem Gruppen wie "Chemnitz nazifrei" und "Leipzig nimmt Platz" zu einer Demonstration gegen eine Kundgebung der rechtspopulistischen "Bürgerbewegung Pro Chemnitz" vor dem Karl-Marx-Monument auf. Die linken Proteste im Stadthallenpark richten sich "gegen rechte Hetze und Instrumentalisierung".

Innenminister Wöller sagte in der ARD, die Polizei sei am Abend mit zusätzlichen Kräften vor Ort. Es müsse verhindert werden, dass Gewalttäter die Situation für sich instrumentalisieren: "Mit Chemnitz haben wir eine neue Dimension der Eskalation erreicht." "Es ist widerlich, wie Rechtsextreme im Netz Stimmung machen und zur Gewalt aufrufen", sagte auch der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer von der CDU. "Wir lassen nicht zu, dass das Bild unseres Landes durch Chaoten beschädigt wird." Die Oberbürgermeisterin von Chemnitz, Barbara Ludwig, appellierte an die Besonnenheit derer, die trauern und derer, denen die Stadt wichtig ist.

SPD appelliert an "anständige Sachsen"

Der sächsische SPD-Chef und stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig warnte vor Selbstjustiz und Gerüchtemacherei. Die "anständigen Sachsen" müssten sich dagegen wehren, "dass rechte Populisten und Extremisten die Gunst der Stunde nutzen, um gegen Ausländer zu hetzen". Grüne und Linke forderten von der Staatsregierung, Gewaltexzesse von Rechten nicht zu dulden.

Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) zeigte sich entsetzt über die jüngsten Ausschreitungen. "Ist es schon wieder soweit in diesem Land, dass Rassisten Jagd auf Menschen machen?", fragte der TGD-Bundesvorsitzende Atila Karabörklü. Was in Chemnitz geschehen sei, sei nicht als "Proteste" zu klassifizieren, sondern als "Pogromversuche".

Die AfD distanzierte sich von den Ausschreitungen Rechtsextremer. Zugleich kündigte die sächsische AfD an, am Samstag gemeinsam mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in Chemnitz gegen die "durch die CDU-Politik der offenen Grenzen erzeugte Gewalt in Sachsen" zu demonstrieren.

Quelle: ntv.de, ftü/dpa/AFP/rts

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