Zu offen Kritik geäußert Im Iran verschleppter "Vater der Genetik" äußert sich
03.11.2022, 16:09 Uhr
Seit rund sechs Wochen halten die Massenproteste im Iran an.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Der Fall sorgt im Iran für Aufsehen: Ein bekannter 84-jähriger Professor wird auf offener Straße verschleppt. Erst nach 36 Stunden kommt der Mediziner, der auch als "Vater der Genetik" im Iran gilt, frei und benennt den Grund für die Entführung: Offenbar kamen seine kritischen Äußerungen nicht gut an.
Ein renommierter iranischer Professor hat sich erstmals öffentlich nach seiner mehrtägigen Verschleppung geäußert. Im Interview mit der Zeitung "Etemad" schilderte der Mediziner Dariusch Farhud Details seiner Entführung in Teheran. Als er früh morgens aus dem Haus gegangen sie, hätten zwei unbekannte Männer mit dunkler Kleidung vor einem Fahrzeug gestanden und ihm gesagt: "Wir fahren mit Ihrem Auto". Die Männer bezeichnete der bekannte Professor, der als "Vater der Genetik" im Iran gilt, als höchst professionell. Wer hinter der Verschleppung stand, ist noch unklar.
Der Fall von Farhud hat im Iran, in dem seit mehreren Wochen systemkritische Massenproteste andauern, für Aufsehen gesorgt. Üblicherweise sind ältere Menschen und Professoren in der iranischen Gesellschaft hoch angesehen. Dass der 84-jährige Farhud entführt wurde, wird daher von Kritikern als Beispiel angeführt, dass das Ausmaß an Einschüchterung im Land steigt.
Angesprochen auf den Grund seiner Entführung hätten die Unbekannten die kritischen Äußerungen des Mediziners genannt. "Menschen protestieren und kritisieren, besonders wenn der Mensch ein Lehrer ist. Es ist mein Job, zu kritisieren. Das ist meine Rolle", sagte Farhud weiter. Während der 36 Stunden seiner Verschleppung habe er kaum geschlafen und sei sehr besorgt gewesen.
Staatliche Medien hatten am Montag über Farhuds Fall geschrieben und Berichten von einer Entführung widersprochen. Ob der Professor im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten entführt wurde, blieb ungewiss. In den vergangenen Tagen wurden allerdings mehrere prominente Sportler und Kulturschaffende festgenommen. Immer wieder gibt es Vorwürfe, dass Kritiker unter Druck gesetzt werden und öffentliche erzwungene Geständnisse äußern.
Bei den seit rund sechs Wochen andauernden Massendemonstrationen wurden nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens 14.000 Menschen verhaftet. Auslöser war der Tod der jungen iranischen Kurdin Mahsa Amini am 16. September. Sie starb in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.
Quelle: ntv.de, mne/dpa/AFP