Angeblich mehr als 100 Tote Israel meldet Luftangriff auf Hamas-Kommandozentrale
10.08.2024, 11:23 Uhr Artikel anhören
Am frühen Morgen greift die israelische Armee nach eigenen Angaben ein Schulgebäude in Gaza Stadt an. Darin hätten sich Terroristen der Hamas versteckt, die Anschläge geplant hätten. Es soll zahlreiche Tote und Verletzte geben. Kairo reagiert mit scharfen Worten.
Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben in der Nacht eine Kommandozentrale der islamistischen Hamas in einem Schulgebäude der Stadt Gaza im Norden des Küstenstreifens angegriffen. Es seien Terroristen getroffen worden. Angaben zu Opfern gibt es von israelischer Seite nicht. Aus medizinischen und Sicherheitskreisen in Gaza heißt es, es seien mindestens 100 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden.
Bisher gebe es mehr als 93 Tote, darunter elf Kinder und sechs Frauen, sagte der Sprecher des von der Hamas kontrollierten Palästinensischen Zivilschutzes, Mahmoud Bassal. Etwa 6000 Menschen hätten auf dem Gelände Zuflucht gesucht. Das Medienbüro der Hamas teilte mit, Israels Armee habe die als Vertriebenen-Unterkunft genutzte Schule während des muslimischen Gebets am frühen Morgen angegriffen. Dutzende der Opfer seien dabei verbrannt. Keine der Angaben ließ sich unabhängig prüfen.
Die Kommandozentrale der Hamas habe sich in einer Schule neben einer Moschee befunden, die den Bewohnern von Gaza Stadt als Schutzraum gedient habe, teilte die israelische Armee mit. Rund 20 Kämpfer der Hamas und des Islamischen Dschihad hätten von der Schule in Gaza-Stadt aus operiert, erklärte ein Sprecher des israelischen Militärs. "Das Gelände und die Moschee, die getroffen wurden, dienten als aktive militärische Einrichtung der Hamas und des Islamischen Dschihad", schrieb er auf X.
Angaben zu Opfern machte die israelische Armee nicht. Vor dem Angriff seien "zahlreiche Maßnahmen" ergriffen worden, um das Risiko für Zivilisten zu mindern, hieß es. So sei Präzisionsmunition bei dem Angriff eingesetzt worden.
Die Hamas habe das Gebäude als Versteck für Terroristen und Kommandeure benutzt. Von dort aus seien Anschläge gegen Israels Truppen und den Staat Israel geplant und vorbereitet worden. Das israelische Militär wies erneut darauf hin, dass die Hamas systematisch gegen das Völkerrecht verstoße, in dem sie aus zivilen Unterkünften heraus vorgehe. Zivilisten würden als menschliche Schutzschilde für ihre Terroraktivitäten missbraucht, hieß es weiter.
Kairo verurteilt israelischen Angriff scharf
Ägypten verurteilte den israelischen Angriff äußerst scharf. Dieser sei eine "beispiellose Missachtung völkerrechtlicher Bestimmungen", teilte das Außenministerium in Kairo mit. Es handle sich um eine "Fortsetzung von Verbrechen in großem Maßstab", bei denen "gewaltige Zahlen unbewaffneter Zivilisten" getötet würden. Der Angriff falle in eine Phase, in der Vermittler sich um eine Waffenruhe in Gaza bemühten. Dies sei ein "klarer Beweis" dafür, dass es auf israelischer Seite keinen Willen gebe, den brutalen Krieg im Gazastreifen zu beenden.
Die palästinensische Terrororganisation Islamischer Dschihad reagierte umgehend auf den Angriff. "Die Wahl des Morgengebets als Zeitpunkt für dieses schreckliche Massaker bestätigt, dass der Feind das Ziel hatte, so viele Zivilisten wie möglich zu töten, darunter Kinder und Ältere." Israels Armee nutze bei Angriffen auf Schulen denselben falschen Vorwand wie bei Angriffen zur Zerstörung von Krankenhäusern im Gazastreifen.
Russland verbietet seinen Airlines Nachtflüge über Israel
Derweil untersagte die Luftfahrtbehörde in Moskau russischen Fluglinien für die kommenden Nächte Flüge im Luftraum über Israel. Das Verbot gilt jeweils von 0 Uhr bis 6 MESZ. Es trat heute mit Tagesanbruch erstmals in Kraft, wie aus einer Meldung der Behörde Rosawiazija in Moskau hervorgeht. Die Anweisung gilt demnach bis zum kommenden Freitag. Ein Grund wurde nicht genannt, allerdings liegt der Zusammenhang mit einem befürchteten Luftangriff des Irans auf Israel nahe. Russland ist enger Verbündeter des Irans und hat dem Land in den vergangenen Tagen verstärkt Luftabwehrwaffen geliefert.
Während der Krieg im Gazastreifen weitergeht, drängen die Vermittler auf eine Waffenruhe in Gaza - auch angesichts der Sorge vor einem Vergeltungsschlag des Irans und seiner Verbündeten nach der Tötung zweier führender Köpfe der Hamas und der libanesischen Hisbollah-Miliz gegen Israel. Eine Eskalation im Nahen Osten sei "im Interesse keiner Partei", sagte US-Außenminister Antony Blinken. Im Telefonat mit Israels Verteidigungsminister Joav Galant sicherte er den eisernen Beistand der USA zu, bekräftigte aber zugleich die "dringende Notwendigkeit" einer Waffenruhe, wie ein Sprecher mitteilte.
Biden: "Es gibt keine Zeit zu verlieren"
Eine Waffenruhe in dem seit zehn Monaten andauernden Gaza-Krieg gilt als Schlüssel, um die Lage im Nahen Osten zu entschärfen. Die in dem Krieg vermittelnden USA, Katar und Ägypten haben beide Seiten in einer gemeinsamen Erklärung mit energischen Worten zu einem Abkommen gedrängt. Es sei an der Zeit, eine Waffenruhe und ein Abkommen über die Freilassung von Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge zu besiegeln, schrieb US-Präsident Joe Biden auf der Plattform X. "Es gibt keine Zeit zu verlieren."
In der von Biden, dem katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani und dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi unterzeichneten Erklärung wurden Israel und die Hamas aufgefordert, die Gespräche am 15. August in Doha oder in Kairo wieder aufzunehmen, "um alle verbleibenden Lücken zu schließen und ohne weitere Verzögerung mit der Umsetzung des Abkommens zu beginnen". Eine Waffenruhe stelle die Freilassung der Geiseln sicher, ermögliche mehr humanitäre Hilfe für die Bevölkerung und schaffe "die Voraussetzungen für eine breitere regionale Stabilität", sagte Blinken laut dem Sprecher im Gespräch mit Galant.
UNRWA: Zwei von drei Gebäuden in Gaza beschädigt
Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen im vergangenen Oktober in Israel verübt hatten. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Kriegsbeginn mehr als 39.600 Menschen im Gazastreifen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern und lässt sich nicht unabhängig verifizieren.
Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer, der katastrophalen humanitären Lage und der verheerenden Zerstörungen in Gaza steht Israel international stark in der Kritik. Laut dem Generalkommissar des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, sind inzwischen zwei von drei Gebäuden in Gaza beschädigt oder zerstört. Er stützt sich auf neueste Daten des Satellitenbeobachtungsprogramms der UN. Mit jedem Tag, den der Krieg andauere, gehe die Zerstörung einer ganzen Gemeinschaft weiter, beklagte Lazzarini auf X.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/rts