Als Ministerin unter Beschuss Kanzlergattin macht selbst Karriere
10.12.2021, 09:52 Uhr
Seit 1998 verheiratet: Britta Ernst und Olaf Scholz.
(Foto: dpa)
Britta Ernst ist Bildungsministerin von Brandenburg und verheiratet mit Olaf Scholz. Das wird man allerdings von ihr kaum erfahren, denn sie trennt strikt Beruf und Privates. Doch immer ist das nicht möglich, so hat seine Karriere sie einst einen geliebten Job gekostet.
Der gestrige Tag muss ziemlich nach ihrem Geschmack gewesen sein: "Glamour liegt ihr völlig fern", lautet die Erfahrung der Berichterstatter aus dem Potsdamer Landtag, die mit Britta Ernst immer wieder zu tun haben. In Zukunft könnte auch der Rest der Republik es ab und an mit Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst zu tun bekommen, denn sie ist mit Olaf Scholz verheiratet, seit gestern Deutschlands Bundeskanzler. "Er ist für hanseatische Verhältnisse sehr berührt", beschrieb der künftige SPD-Chef Lars Klingbeil die Gemütsverfassung des neuen Regierungschefs nach seiner Wahl, und die Beschreibung war notwendig: Ansehen konnte man ihm das nämlich nicht.
Ebenso wenig trug seine Gattin irgendeine Form der Gerührtheit nach außen. Sie saß auf der Ehrentribüne mit Scholz' Eltern und Geschwistern und verfolgte das Prozedere im Plenarsaal. Es passt zu dem, was bisher schon galt in Potsdam: Zu den Ambitionen ihres Mannes auf das Kanzleramt äußerte sich Ernst nicht. Auch Fragen zu ihrem Privatleben blockte sie höflich, aber bestimmt ab. Die Vorstellung, dass ihre Tätigkeit als Landesministerin in irgendeine Verbindung mit der politisch herausgehobenen Stellung ihres Mannes gebracht werden könnte, muss ihr ein Graus sein.
Schließlich hat Ernst schon einmal darunter gelitten, dass Olaf Scholz einen großen Schritt auf der Karriereleiter machte: 2011 war das, in Hamburg. Der Amtsantritt ihres Mannes als Erster Bürgermeister zwang Ernst zum Rückzug aus der Hamburger Bürgerschaft, der sie 14 Jahre angehört hatte, und das mit Leidenschaft, wie es heißt. "In keinem Bereich ist es richtig, dass Veränderungen bei einem Partner mit einem Verzicht des anderen begleitet werden", schrieb die gebürtige Hamburgerin damals.
Rücktrittsforderung vom Elternrat
Als Ehefrau des Ersten Bürgermeisters kam ein Senatsposten für Ernst nicht in Betracht, noch weniger wohl eine Position in der Hanse-Society. Sie kehrte Stadt und Landespolitik den Rücken und arbeitete fortan in der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin. 2014 wurde sie Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, bis sie nach der Landtagswahl 2017 aus dem Kabinett ausschied, weil ihr Ressort an die Christdemokraten gefallen war.
Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke holte sie im selben Jahr nach Potsdam, als Ministerin für Bildung, Jugend und Sport. Wieder dieses schwierige Ressort, mit dem auch Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern kaum Blumentöpfe gewinnen. Eine Rücktrittsforderung vom gesamten Elternrat des Bundeslandes ist allerdings schon eine Hausnummer.
In der Woche des Einzugs ihres Mannes ins Kanzleramt legte Brandenburgs Elterngremium Britta Ernst nahe, ihr Amt aufzugeben. Frust darüber, dass die Schulen nicht fit gemacht wurden für den Corona-Winter, zu wenig Schnelltests und zuletzt die Entscheidung, die Präsenzpflicht an den Schulen auszusetzen und die Weihnachtsferien zu verlängern, hatten die Elternvertreter zu dem öffentlichkeitswirksamen Schritt bewogen.
"In den zwei Jahren pandemischer Lage war aus Sicht der Eltern weder der Wille noch die Fähigkeit erkennbar, den Schülern des Landes Brandenburg geregelten Zugang zu Bildung zu verschaffen", zitierte die "Märkische Allgemeine" am Dienstag aus einer Mitteilung des landesweiten Gremiums. Viele Brandenburger Eltern fühlten sich in den dramatischsten Phasen der Pandemie von ihrer zuständigen Ministerin im Stich gelassen.
Man sucht nach emotionalen Regungen
Hier mag auch die hanseatische Kühle tatsächlich zum Problem werden, wenn zusätzlich zu den dringenden Maßnahmen auch noch die warmen Worte, die flammende Rede im Parlament, die sichtbare Anteilnahme an den Problemen der Kinder fehlen. "Man sucht krumenhaft nach emotionalen Regungen", sagt einer, der Ernsts bisher vierjährige Amtszeit als Berichterstatter aus dem Potsdamer Landtag begleitet hat.
Die Stimmung zwischen dem Bildungsressort und dem grün-geführten Gesundheitsministerium in Brandenburg soll auch nicht gut sein. Über eine Pflicht zum Maskentragen an Schulen stritt Ernst vehement mit ihrer Kabinettskollegin Ursula Nonnemacher. Die grüne Gesundheitsministerin setzte sich schließlich durch, das Tragen der Maske wurde obligatorisch - wie in allen anderen Bundesländern auch.
Ernst gilt als sehr sachlich, sie mag es unaufgeregt, sortiert, kontrolliert: Wird sie zu ihrer Rolle als Vorsitzende der Kultusministerkonferenz befragt, dann lässt sie auch nur Fragen zu diesem Thema zu. In den sozialen Netzwerken zeigt sie hin und wieder, dass sie gern ihre neue Heimatstadt Potsdam und Umgebung erkundet. Dann postet die Sozialdemokratin Fotos - nicht als Selfie, sondern als Naturpanorama.
Privat gab es für das kinderlose Ehepaar Ernst und Scholz ab dem Frühjahr 2018 in Potsdam eine neue Basis, als Scholz vom Amt als Erster Bürgermeister in Hamburg nach Berlin wechselte, als Bundesfinanzminister und Vizekanzler. Das Ehepaar zog in der brandenburgischen Landeshauptstadt zunächst in die gediegene Berliner Vorstadt und dann an den im Renaissance-Stil wieder errichteten Alten Markt, in direkter Nachbarschaft zum Museum Barberini und dem Landtagsschloss.
Scholz empört über Frage nach Rückzug
Die beiden sind seit 1998 verheiratet, sie kennen sich bereits seit gemeinsamen Studententagen in Hamburg. Schon in früheren Zeiten hielt das Ehepaar mit Blick auf die Öffentlichkeit sorgsam eine professionelle Distanz. Während Scholz in der Landes- und Bundespolitik seine eigenen Höhen und Tiefen erlebte, ging die Sozialökonomin in Hamburg ihren eigenen Weg.
Im Bundestagswahlkampf gab der sonst beim Thema Privatleben zurückhaltende Gatte ein paar seltene Einblicke. Dass er auf Druck seiner Frau vor mehr als 20 Jahren das Joggen für sich entdeckt habe und Königsberger Klopse kochen könne, war zu erfahren. Der SPD-Politiker offenbarte aber auch, dass Britta Ernst die Liebe seines Lebens sei. Er wäre ohne sie "sicher ein ganz anderer Mensch" - und sei dank ihr eindeutig ein besserer.
Was Scholz von Fragen danach hält, ob seine Frau im Falle seiner Kanzlerschaft weiterarbeitet, machte er Ende Juli im Talk bei der Frauenzeitschrift "Brigitte" deutlich. "Das ist eine Frage, die mich empört. Ich weiß nicht, ob die auch Männern gestellt wird, die Ehegatten sind", sagte er. Vermutlich nicht. Britta Ernst wird mit ihrer eigenständigen Karriere dazu beitragen, dass diese Frage künftig auch Ehegattinnen nicht mehr gestellt wird.
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP