Asylstreit, die nächste Runde Koalitionäre schweigen nach Spitzentreffen
27.06.2018, 01:31 Uhr
Kurze Gesprächspause auf dem Balkondes Kanzleramts: Angela Merkel (r.) gesellt sich zu Olaf Scholz und Andrea Nahles von der SPD.
(Foto: dpa)
Nationaler Alleingang oder europäische Lösung - das ist die große Frage, an der nicht nur die Union zerbrechen könnte. Auch der Großen Koalition droht das Aus. Entsprechend hart wird mit- und übereinander gesprochen.
Die Große Koalition ringt angesichts des Asylstreits in der Union um Handlungsfähigkeit. Nach einem knapp vierstündigen Spitzentreffen im Kanzleramt gingen die Partei- und Fraktionschefs am frühen Morgen auseinander. Über Ergebnisse der Beratungen wurde zunächst nichts bekannt. Auch eine gemeinsame Erklärung, wie sie nach früheren Spitzentreffen veröffentlicht worden war, sollte es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht geben.
Bei dem Treffen ging es neben dem erbitterten Asylstreit innerhalb der Union auch um das geplante Baukindergeld. Zuvor hatten sich im Asylstreit der Unionsparteien führende Politiker von CDU und CSU demonstrativ um eine Entspannung des heftigen Konflikts bemüht. In der Sache aber blieben beide Seiten hart. Ein Weg zu einer Kompromisslösung war weiter nicht erkennbar.
Bei dem Spitzentreffen in Berlin erschienen für die CDU Kanzlerin Angela Merkel, Unions-Fraktionschef Volker Kauder sowie Kanzleramtschef Helge Braun, für die CSU Innenminister und Parteichef Horst Seehofer sowie Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Für die SPD nahmen Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sowie Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz an der Runde teil.
Merkel unter Druck
CSU-Landesgruppenchef Dobrindt hatte zuvor betont: "CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft." Unionsfraktionschef Kauder sagte: "Dass wir heute so gut dastehen, hat auch mit 70 Jahren erfolgreicher Politik von CDU und CSU zu tun. Und das wollen wir auch in Zukunft so beibehalten."

"CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft": Bundesinnenminister Horst Seehofer (l.) und Alexander Dobrindt.
(Foto: dpa)
Merkel steht unter großem Druck. Hintergrund des Asylstreits ist Seehofers Ankündigung, Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, vom 1. Juli an an der deutschen Grenze abzuweisen. Merkel ist gegen diesen "nationalen Alleingang". Sie möchte auf dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag für eine "europäische Lösung" in der Flüchtlingspolitik werben. Seehofer würde nach eigenen Worten auf die Zurückweisungen an der Grenze verzichten, wenn Merkel auf EU-Ebene eine Vereinbarung erzielen sollte, die den gleichen Effekt hätte wie die von ihm geplante Maßnahme.
Merkel rechnet beim EU-Gipfel in Brüssel noch nicht mit einer umfassenden Vereinbarung zu einem gemeinsamen europäischen Asylpaket. Zwei von sieben EU-Richtlinien, die für eine grundlegende Reform des europäischen Asylsystems geändert werden müssten, seien noch offen, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem neuen spanischen Regierungschef Pedro Sanchez in Berlin. Dazu gehörten die Asylverfahrensrichtlinie und eine Reform der Dublin-Regeln, nach denen die Zuständigkeit für einzelne Asylbewerber in der EU festgelegt wird. "Da wird noch ein wenig Zeit notwendig sein." Deshalb plädierte Merkel erneut für bilaterale Abkommen einzelner EU-Staaten mit Herkunfts- und Transitländern.
Appell des Bundespräsidenten
SPD-Chefin Nahles warf der Union eine Blockade der Regierungsarbeit wegen des erbitterten Asylstreits vor. "Der Streit in der CDU/CSU lähmt die gesamte politische Arbeit", sagte sie.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte den Asylstreit in der Union scharf: "Ich habe mich dieser Tage häufiger gefragt, wie sollen wir eigentlich erfolgreich für Vernunft und Augenmaß in der politischen Debatte werben, wenn auf höchster Ebene und selbst im Regierungslager mit Unnachsichtigkeit und maßloser Härte über eigentlich doch lösbare Probleme gestritten wird."
Quelle: ntv.de, bad/dpa