Politik

Kette falscher Planungen bei Elbphilharmonie Können Politiker nicht bauen?

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(Foto: REUTERS)

Ein Bericht zum größten Kulturprojekt Deutschlands zeigt, wie eine ganze Kette von Fehlentscheidungen das ambitionierte Vorhaben zu einem Desaster werden ließ. Ob in Stuttgart, Berlin oder Hamburg: Warum schafft es die Politik nicht, ihre eigenen Projekte zu bändigen?

Das hatte sich Ole von Beust wohl anders vorgestellt. Als er vor dreieinhalb Jahren sein Amt als Bürgermeister von Hamburg niederlegte, sollte eines der wichtigsten Bauprojekte seiner Stadt eigentlich schon fertig sein. Weit über Hamburg hinaus sollte es bekannt werden, ein neues Wahrzeichen der Stadt sein, Maßstäbe im Bereich der Konzerthäuser setzen. Zu Beginn schien alles gut zu laufen: Private Spender übernahmen einen Teil der Kosten, der Architektenentwurf wurde gelobt. Von Beust baute mit der Elbphilharmonie nicht nur eine neue Kulturstätte, sondern auch ein Denkmal für sich selbst. Als er 2010 abtrat, war klar, dass die Hamburger noch etwas auf die Philharmonie warten mussten. Doch was ist eine Verzögerung von ein paar Jahren, wenn es um ein Denkmal geht, das noch viele Jahrzehnte das Stadtbild prägen soll?

Nach dem Abgang von Beusts türmten sich dann die Probleme. Streits zwischen Architekten und Baufirma traten zutage, die zwischenzeitig sogar zu einem Baustopp führten. Der Eröffnungstermin verschob sich bereits um mehrere Jahre. Die Kosten für die Stadt sollten einmal bei 77 Millionen liegen. Mittlerweile ist klar, dass es mehr als das Zehnfache sein wird. Das übersteigt sogar die Kostensteigerung beim Pannen-Flughaften Berlin-Brandenburg. Ein Bericht zeigt nun, dass die Probleme in Hamburg keine Abfolge von Zufällen oder individuellen Fehlern sind, sondern dass an wichtigsten Stellen dilettantisch geplant, Prinzipien gebrochen und Warnungen ignoriert wurden. Und als dann die Probleme auftauchten, schauten die Verantwortlichen nur zu statt einzugreifen.

Nur eines von vielen Pannen-Projekten

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitierte im November aus dem ersten Entwurf des Berichts, den ein Untersuchungsausschuss in Hamburg erstellt hat. Die Architekten hätten die Stadt vor dem Angebot des Bauunternehmens Hochtief gewarnt: Wenn es angenommen werde, seien "die Erreichung der angestrebten Qualität, des Kostenziels und des Fertigstellungstermins in höchster Gefahr". Nun gibt es einen zweiten Entwurf, in dem auch Namen von Schuldigen genannt werden, und von dem "Spiegel Online" berichtet: Von Beust selbst habe sich nie für die Details des Projekts interessiert. Aber auch der Aufsichtsratsvorsitzende, der Geschäftsführer, der Projektleiter und die Rechtsanwältin der städtischen Realisierungsgesellschaft sowie die Kultursenatorin hätten schwere Fehler begangen.

Die Elbphilharmonie ist nur eines von vielen Projekten, bei denen Politiker in den letzten Jahren Großes schaffen wollten und dabei vor allem große Schulden anhäuften. Der Berliner Hauptbahnhof und der Flughafen, die Kölner U-Bahn und der unterirdische Bahnhof Stuttgart 21 sind nur die prominentesten Beispiele. Im "Jade-Weser-Port" in Wilhelmshafen kommt nur ein Zehntel der geplanten Menge an Containern an, die Erweiterung des Saarlandmuseums wird mit 40 Millionen Euro wohl dreimal so teuer wie geplant, die neue Zentrale des Nachrichtendienstes BND in Berlin wird nach geheimen Plänen gebaut – doch die verschwinden plötzlich von der Baustelle.

Kann es die Politik einfach nicht? Sind Politiker einfach keine guten Bauherren? Tatsächlich gibt es bei öffentlichen Projekten Stolpersteine, die es bei privaten Investoren so nicht gibt. So ist die Stadtentwicklung nur eine von vielen Aufgaben einer Kommune. Den Aufsichtsratsvorsitz hat oft der Bürgermeister, der nicht unbedingt Erfahrungen mit Baustellen hat. So ist es auch bei der Hamburger Elbphilharmonie und dem Berliner Großflughafen. In einer Broschüre der deutschen Bauindustrie heißt es, viele Probleme könnten "bei sorgfältiger Planung und kompetentem Projektmanagement vermieden werden".

Warum wird alles teurer?

Wichtiger ist aber wahrscheinlich noch, dass Politiker oft nicht nur für ihre Stadt, sondern für sich selbst bauen. Die großen Projekte dienen meist der Infrastruktur, ihre Architektur soll aber weit über den Zweck hinausweisen – und den Erbauer in Erinnerung halten. So wollte man auf dem Dach des Flughafens BER keine Entrauchungsanlage haben und entwickelte darum ein System, das bei einem Feuer den Rauch nach unten absaugt – mit den bekannten Konsequenzen. In Stuttgart war man zwar überzeugt davon, dass ein unterirdischer Bahnhof die Fahrtzeiten verkürzt und an der Oberfläche neue Gestaltungsmöglichkeiten bringt – doch ein sinnvolles Kosten-Nutzen-Verhältnis kam dabei nur heraus, weil die Kosten wesentlich zu niedrig veranschlagt wurden.

Dass die Projekte am Ende wesentlich teurer werden, als veranschlagt, hat mehrere Ursachen: Baufirmen setzen die Kosten absichtlich sehr niedrig an, um den Auftrag zu erhalten. Politiker, die ein Projekt umsetzen wollen, nehmen das gerne hin – denn auch sie müssen das Vorhaben gegenüber anderen verteidigen. Zu hohe Kosten kommen da nicht gut an. Im Laufe der Planung wird dann den Gremien oft klar, dass im ursprünglichen Plan etwas fehlt. Nachträgliche Änderungen lassen sich Architekten und Baufirma dann aber gut bezahlen. Risiken werden verdrängt. So auch im Fall der Entrauchungsanlage im Berliner Flughafen: Noch wenige Tage vor der geplanten Eröffnung ging man davon aus, dass es eine Genehmigung geben würde.

Obwohl so viele Projekte im finanziellen Chaos enden, erreichen Politiker doch oft ihr Ziel: ein Denkmal für sich selbst zu schaffen. So steht auch Ole von Beust derzeit nicht gut da, wenn es um die Elbphilharmonie geht. Doch die Erfahrung zeigt: Wenn der Bau einmal fertig ist, sind die Kosten schnell vergessen. So gilt auch der Berliner Hauptbahnhof unter Touristen vor allem als praktischer Umsteigeort und sogar als Sehenswürdigkeit. Dass die Bahn damit weiterhin Probleme hat, ist eher ein lokales Thema. Und auch, dass sein Dach viel zu kurz geraten ist, sieht man ihm erst auf den zweiten Blick an.

Quelle: ntv.de

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