"Längst überfällig" Lauterbach will Homosexuelle als Blutspender zulassen
10.01.2023, 15:24 Uhr
"Ob jemand Blutspender werden kann, ist eine Frage von Risikoverhalten, nicht von sexueller Orientierung", sagte Lauterbach.
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Die Maßnahme stammt noch aus der Zeit der Aids-Krise: Aus Sorge vor Weitergabe des Virus gelten für homosexuelle Männer bis heute strengere Regeln als für heterosexuelle. Damit soll nun Schluss sein, erklärt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD will die Diskriminierung von homosexuellen Männern bei der Blutspende beenden. Mit der geplanten Gesetzesänderung werde die Bundesärztekammer verpflichtet, ihre Blutspende-Richtlinien innerhalb von vier Monaten entsprechend anzupassen und homosexuelle Männer als Blutspender zuzulassen, sagte Lauterbach. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) begrüßte die geplante Änderung des Transfusionsgesetzes und nannte sie "längst überfällig".
"Ob jemand Blutspender werden kann, ist eine Frage von Risikoverhalten, nicht von sexueller Orientierung", sagte Lauterbach. "Versteckte Diskriminierung darf es auch bei diesem Thema nicht geben." Die Bundesärztekammer müsse "endlich nachvollziehen, was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens ist".
Die Blutspende-Einschränkungen für Homosexuelle stammen noch aus der Zeit der Aids-Krise. Dahinter stand die Sorge, dass bei schwulen Männern das Risiko einer Weitergabe des Virus durch eine Blutspende besonders hoch ist. Die Maßnahme wird seit langem als diskriminierend kritisiert, die Ampel-Parteien hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Abschaffung verständigt. In Lauterbachs Änderungsantrag zum Transfusionsgesetz heißt es nun laut RND: "Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität dürfen keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sein."
"Gruppenbezogene Ausschlusstatbestände nicht zulässig"
Nach der aktuell maßgeblichen Richtlinie der Bundesärztekammer dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, nur dann Blut spenden, wenn sie in den zurückliegenden vier Monaten keinen Sexualverkehr mit "einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner" hatten. Bei allen anderen Menschen besteht diese Sperre dagegen nur bei "häufig wechselnden Partnerinnen und Partnern". Die Richtlinie war zuletzt 2021 leicht entschärft worden - davor lag die Frist bei zwölf Monaten.
Nun soll laut RND vorgeschrieben werden, dass das sexuelle Risiko, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, nur auf "Grundlage des individuellen Verhaltens der spendewilligen Person" ermittelt werden darf. "Gruppenbezogene Ausschluss- oder Rückstellungstatbestände sind insoweit nicht mehr zulässig."
Die Bundesärztekammer hat dem Bericht zufolge nach dem für den 1. April geplanten Inkrafttreten der Gesetzesänderung vier Monate Zeit, im Einvernehmen mit dem staatlichen Paul-Ehrlich-Institut eine neue, diskriminierungsfreie Richtlinie auszuarbeiten.
"Diskriminierung gefährdet Wohl der Patienten"
Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus erklärte, die bisherige Regelung sei "nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern auch schlichtweg diskriminierend". Sie betonte: "Wer Blut spenden möchte, sollte dies auch tun können. Denn die Blutspende rettet Leben." Der FDP-Abgeordnete Jürgen Lenders betonte: "Die aktuelle Diskriminierung von Männern, die Sex mit Männern haben, bei der Blutspende gefährdet angesichts der prekären Lage bei der Blutversorgung das Wohl der Patienten."
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt erklärte: "Dass Männer, die Sex mit Männern haben, nur eingeschränkt Blut spenden dürfen, ist diskriminierend." Mit der geplanten Änderung des Transfusionsgesetzes "sorgen wir für die Beseitigung dieser einseitigen Andersbehandlung". Sie verwies darauf, dass jetzt alle Blutspenden auf HIV und andere übertragbare Krankheiten geprüft würden, "dies gewährleistet auch in Zukunft die höchstmögliche Sicherheit".
Alfonso Pantisano, Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband, erklärte: "Die Abschaffung dieser Diskriminierung war ein langer Weg und ein harter Kampf." Mit der Gesetzesänderung werde eine langjährige Forderung des LSVD umgesetzt. Es müsse aber sichergestellt sein, dass Blutspenderinnen und -spender "auch nicht versteckt nach sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität unterschieden und damit ausgeschlossen werden". Die bisherige Regelung baue auf Stigmatisierungen auf und erzeuge Diskriminierungen, kritisierte Pantisano.
Quelle: ntv.de, can/AFP