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Zweifel an PFAS-Bericht "Lobby-Ansturm" soll Chemikalien-Verbot in EU torpedieren

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Per- und polyfluorierte Chemikalien werden unter anderem in Pfannenbeschichtungen verwendet.

Per- und polyfluorierte Chemikalien werden unter anderem in Pfannenbeschichtungen verwendet.

(Foto: picture alliance/dpa)

PFAS oder sogenannte Ewigkeitschemikalien stehen im Verdacht, Krebs zu erregen. Die EU plant weitreichende Verbote. Dagegen laufen Unternehmen und Verbände Sturm - einem Bericht zufolge erfolgreich. Es könnte Ausnahmen geben. Dabei sind Belege, die die Lobbyisten vorlegen, mehr als zweifelhaft.

Eine internationale Recherche wirft Lobbyverbänden der Industrie vor, massiv gegen ein mögliches Verbot potenziell krebserregender Chemikalien in der EU vorzugehen. Die Diskussion über Beschränkungen von Per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS) habe einen regelrechten "Lobby-Ansturm" ausgelöst, berichteten "Süddeutsche Zeitung" (SZ), WDR und NDR. Allein die EU-Chemikalienagentur ECHA habe 70.000 Seiten von Firmen, Verbänden und Anwälten erhalten. Dabei stützten sich viele Argumente der Industrievertreter "auf falsche Angaben oder irreführende Studien".

SZ, WDR und NDR werteten nach eigenen Angaben mit ihren internationalen Partnern aus 16 Ländern im Zuge des "Forever Lobbying Project" Tausende Dokumente aus, stellten 200 Anfragen und sprachen mit "zahlreichen Insidern und Experten". Im Fokus steht dabei die Chemikaliengruppe der Fluorpolymere, die in der Medizintechnik, der Halbleiterindustrie und der Herstellung von Batterien für Elektroautos genutzt wird. Nach Angaben der Industrie soll sie nicht gefährlich sein.

Dabei bezieht sich die Lobby den SZ-Angaben zufolge immer wieder auf die Internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), die dies bestätigt habe. Den aktuellen Recherchen nach stimmt diese Aussage jedoch nicht: Zwar seien die betreffenden Stoffe Thema gewesen, es seien aber "keine vereinbarten Kriterien auf OECD-Ebene festgelegt" worden, wie der Bericht die Organisation zitiert. Es sei auch "keine Bewertung von Fluorpolymeren durchgeführt" worden. Autoren weiterer Studien zu dem Thema seien zudem entweder bei der Industrie angestellt oder von ihr bezahlt, erklärte der Rechercheverbund.

Dennoch verfangen die laut SZ, WDR und NDR "zweifelhaften" Argumente der Industrie bei Politikerinnen und Politikern. So erscheine eine ursprünglich unter anderem von Deutschland vorgeschlagene umfangreiche Beschränkung der Chemikalien inzwischen als "fraglich". Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck forderte demnach im August 2023, "die Entwicklung von Technologien nicht durch Überregulierung (zu) verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Produktion erfolgt".

Wirtschaftsministerium will Ausnahmen zulassen

Im aktuellen Bericht heißt es, das Bundeswirtschaftsministerium will internen Papieren zufolge Fluorpolymere von einer Beschränkung ausnehmen. Auf Nachfrage verwies das von Habeck geführte Ministerium zunächst auf die OECD. Auch andere Ministerien sowie Bundeskanzler Olaf Scholz, die Union und die FDP sehen eine vollständige Beschränkung der Chemikalien kritisch.

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Eine Reihe der Tausenden weltweit bekannten PFAS-Verbindungen sind in der EU bereits verboten. Brüssel kann allerdings nur Verbote für einzelne Untergruppen der Chemikalien aussprechen. Diese werden in der Industrie anschließend häufig durch ähnliche PFAS ersetzt.

Umwelt- und Verbraucherschützer fordern deshalb seit langem ein umfassendes PFAS-Verbot. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zu Beginn ihrer vergangenen Legislaturperiode eine entsprechende Reform der EU-Chemikalienverordnung REACH angekündigt, aber nie einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Die seit Dezember amtierende Umweltkommissarin Jessika Roswall soll die Verordnung "vereinfachen", konkrete Vorschläge dafür gibt es bislang allerdings nicht.

Quelle: ntv.de, als/AFP

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