Festakt zur Weimarer Verfassung Merkel ermutigt Jugend, für Demokratie zu kämpfen
06.02.2019, 19:30 Uhr
Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, und Birgit Diezel, Landtagspräsidentin in Thüringen, mit dem "Gedenkblatt" zum Festakt 100 Jahre Weimarer Verfassung. Daneben Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wolfgang Schäuble , Präsident des Deutschen Bundestages, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender und Bundesratspräsident Daniel Günther (v.l.).
(Foto: picture alliance/dpa)
100 Jahre nach Eröffnung der Nationalversammlung in Weimar betonen Politiker die Bedeutung der ersten deutschen demokratischen Verfassung. Kanzlerin Merkel sieht vor allem junge Menschen in der Pflicht, sich für die erreichten Fortschritte einzusetzen.
100 Jahre nach Eröffnung der Nationalversammlung in Weimar haben führende Politiker die Bürger zu mehr Engagement für die Demokratie aufgerufen. "Jede Generation muss wieder für Demokratie kämpfen", betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Ähnlich äußerte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Weimar, wo das Jubiläum mit einem Festakt, einem ökumenischen Gottesdienst und einem Bürgerfest gefeiert wurde. Merkel und Steinmeier würdigten die Weimarer Verfassung als Grundlage für das heutige Grundgesetz. Der Bundespräsident beklagte, dass bisher zu sehr das Scheitern der Weimarer Republik gesehen wurde, deren Ablösung durch den Nationalsozialismus und nicht so sehr die Bedeutung als erste demokratische Republik.
Die Nationalversammlung war nach der Novemberrevolution 1918 und dem Sturz der Monarchie in Weimar am 6. Februar 1919 erstmals zusammengekommen, um eine Verfassung für die erste demokratische Republik auf deutschem Boden - die Weimarer Republik - auszuarbeiten. In seiner Festrede mahnte Steinmeier, trotz des Grundgesetzes als beste aller Verfassungen gebe es keinen Grund, "dass wir uns zurücklehnen könnten", solange Parlamente als "Quatschbuden" verunglimpft, politisch Engagierte mit Worten oder gar mit Gewalt angegriffen würden und solange Menschen den Glauben an den Wert der Demokratie verlören.
Verbindende Symbole
Ein demokratischer Patriotismus brauche Symbole, die verbinden, erklärte Steinmeier. Eines sei die schwarz-rot-goldene Staatsflagge. Und es sei historisch geradezu absurd, wenn heute diese schwarz-rot-goldene Flagge am auffälligsten von denen geschwungen werde, "die einen neuen nationalistischen Hass entfachen wollten", so der Bundespräsident. Schwarz-Rot-Gold seien immer die Farben von Einigkeit und Recht und Freiheit gewesen. "Überlassen wir sie nicht den Verächtern der Freiheit", sagte er unter Beifall.
"Wir sollten die Weimarer Republik nicht länger nur von ihrem Ende her betrachten", erinnerte Steinmeier an deren Zerstörung durch die Nationalsozialisten. "Sie war mehr als nur die Vorgeschichte des Nationalsozialismus und sie war keine Einbahnstraße in die Barbarei."
Wichtige Bürgerrechte wie Wahlrecht für Frauen umgesetzt
Damals seien wichtige Bürgerrechte wie das Wahlrecht für Frauen umgesetzt worden, sagte Merkel. Das heutige Grundgesetz, das in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, sei auf der Grundlage der Weimarer Verfassung aufgebaut worden. Auch das heutige Europa sei als eine Lehre aus der Weimarer Republik und "der schrecklichen Periode des Nationalsozialismus und des Holocausts" entstanden.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte, die Essenz der Weimarer Verfassung präge Deutschland heute noch und werde auch die Weichenstellungen der nächsten Jahrzehnte beeinflussen. Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) hob die Bedeutung des Föderalismus für das heutige demokratische Deutschland hervor. Länder und Regionen blieben eine "Kraftquelle unserer Entwicklung", sagte sie.
Kritik an Verschärfung der Debattenkultur in Parlamenten
In einem ökumenischen Gottesdienst mit mehreren hundert Menschen in der evangelischen Herderkirche - in die 1919 auch Abgeordnete der Nationalversammlung zum Gottesdienst kamen - kritisierte der Bischof des Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr, eine Verschärfung der Debattenkultur in den Parlamenten. "Im Herzen der Demokratie, in den Parlamenten, wird der Ton aggressiv und polemisch", sagte der katholische Geistliche.
Ein demokratisches Miteinander sei mitunter mühsam, sagte die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann. Dazu gehöre auch fairer Streit. Zu der Jubiläumsfeier waren auch Regierungschefs mehrerer Bundesländer und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, gekommen. Die sonst von Touristen bevölkerte historische Altstadt und der Theaterplatz waren abgesperrt. Die Polizei war eigenen Angaben zufolge über mehrere Tage mit 1000 Beamten im Einsatz. Es sei aber alles friedlich verlaufen, sagte ein Polizeisprecher.
Merkel mit Beifall begrüßt
Hinter den Absperrungen drängelten sich Schaulustige, Merkel wurde von ihnen mit Beifall begrüßt. "Ich bin stolz, dass die Stadt so in aller Munde ist", sagte die Weimarerin Ingrid Menzel, die mit anderen auf die Kanzlerin wartete.
Die Weimarer Verfassung schrieb ein freies und gleiches Wahlrecht unabhängig von Geschlecht und Stand fest sowie die Trennung von Staat und Kirche. Auch betriebliche Mitbestimmung, Schulpflicht, Gleichberechtigung von Mann und Frau waren dort verankert sowie eine Wirtschaftsordnung, die den Grundsätzen der Gerechtigkeit entsprach.
Quelle: ntv.de, Katrin Zeiß und Marie Frech, dpa