Politik

Leichen an Strand gespült Mindestens 59 Tote bei Bootsunglück vor Italien

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Die Leichen wurden am Strand von Steccato di Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien und im Meer geborgen - die Opferzahl könnte noch steigen.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Über den Seeweg wollen mehr als 250 Flüchtlinge die Küste Süditaliens erreichen. Das Boot kann dem starken Wellengang jedoch nicht standhalten und zerschellt an den Klippen. Mindestens 59 Menschen kommen ums Leben - darunter auch viele Kinder.

Schiffstrümmer in der Brandung, Retter, die am Strand eine Leiche wegtragen, Überlebende, die am Ufer in Decken gehüllt ausharren: Fotos zeigen das Ausmaß des Bootsunglücks im Süden Italiens. Laut italienischer Küstenwache sind mindestens 43 Leichen gefunden worden, nachdem ihr Boot in Steccato di Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien nur wenige Meter von der Küste entfernt bei stürmischer See an den Klippen zerschellte. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Präfektur von Crotone meldete, stieg die Zahl der Todesopfer bis zum Nachmittag auf 59. Laut Küstenwache wurden 80 Menschen lebend geborgen. Einige von ihnen hätten das Ufer nach dem Schiffbruch aus eigener Kraft erreicht, hieß es.

Die Opferzahl könnte Berichten zufolge weiter steigen, weil womöglich noch mehr Menschen an Bord waren. Die Ansa berichtete, dass einige der Überlebenden die Gesamtzahl der Menschen an Bord mit mindestens 250 angaben, andere mit 180. Dagegen schrieb die Küstenwache, es seien "ungefähr 120 Migranten" an Bord gewesen. Laut Ansa waren viele Frauen und Kinder unter den Opfern, darunter ein wenige Monate alter Säugling und wenige Jahre alte Zwillinge. Papst Franziskus sagte nach dem Angelusgebet auf dem Petersplatz in Rom, er bete für die Opfer, die Vermissten und die Überlebenden.

Laut der Zeitung "La Repubblica" kamen die Migranten vor allem aus dem Iran, Pakistan und Afghanistan. Ansa meldete die Festnahme eines Schleppers, bei dem es sich um einen Türken handeln soll. Wo die Menschen in See gestochen waren, ist noch nicht bekannt. Laut Ansa handelte es sich bei dem Unglücksboot um einen Fischkutter, dagegen sprach die italienische Finanzpolizei von einem Holzboot vom Typ Gulet. Darunter versteht man einen meist zweimastigen Motor-Segler. Der Unglücksort Steccato di Cutro ist ein Seebad in der Gemeinde Cutro am Zeh des italienischen Stiefels.

Meloni zeigt sich entsetzt

Hilfsorganisationen zeigten sich entsetzt. "Es ist menschlich inakzeptabel und unverständlich, warum wir immer wieder solche vermeidbare Tragödien erleben müssen. Es ist ein Faustschlag in den Magen", schrieb Sergio Di Dato, Projektleiter bei Ärzte ohne Grenzen auf Twitter. Während Helfer legale Wege der Einreise und auch mehr staatliche Seenotrettung fordern, versucht die rechte italienische Regierung, die Zahl der Migranten möglichst zu verringern.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigte sich entsetzt über das Unglück. "Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken", schrieb sie. Ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Sie fordere dabei ein Maximum an Kooperationsbereitschaft der Ausgangs- und Herkunftsländer.

Neues Gesetz erschwert Arbeit ziviler Seenotretter

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich auf Twitter zutiefst betrübt über das Bootsunglück und sprach von einer Tragödie, bei der unschuldige Migranten gestorben seien. Sie forderte alle Beteiligten dazu auf, sich noch mehr um Fortschritte in der EU-Migrationspolitik zu bemühen.

Jedes Jahr versuchen Tausende Migranten auf oft wenig seetauglichen Booten über das Mittelmeer nach Italien und damit nach Europa zu gelangen. Sie brechen vor allem aus Libyen oder Tunesien auf, aber auch aus Griechenland oder der Türkei. Nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen.

Ein Dekret der Regierung Meloni, das mit der Verabschiedung durch den Senat vergangene Woche Gesetz wurde, erschwert die Arbeit ziviler Seenotretter erheblich. So müssen sie nun schon nach der ersten Rettungsaktion einen italienischen Hafen ansteuern, anstatt womöglich mehrere Rettungen durchzuführen. Zudem werden ihnen oft Häfen zugewiesen, die weit vom Einsatzgebiet im zentralen Mittelmeer entfernt liegen, womit sie tagelang unterwegs sind. Allerdings kommt nur ein kleiner Teil der Migranten mit Rettungsschiffen wie der "Ocean Viking" oder der "Geo Barents" nach Italien. Der Großteil erreicht das italienische Festland und die Inseln ohne fremde Hilfe.

Quelle: ntv.de, can/uzh/dpa

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