Leichtere Wiedereinbürgerung Ministerium plant Erlass für NS-Verfolgte
29.07.2019, 19:35 Uhr
Wer vor den Nazis fliehen musste und heute eine neue Staatsangehörigkeit hat, hat bisher nicht automatisch Anspruch auf einen deutschen Pass.
(Foto: picture alliance / Rolf Vennenbe)
Nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 gehen Hunderttausende Deutsche ins Exil. Viele verlieren auch ihre Staatsangehörigkeit. Für sie und ihre Nachfahren soll es nun leichter werden, wieder einen deutschen Pass zu bekommen.
Das Bundesinnenministerium will die Wiedereinbürgerung von NS-Verfolgten und ihren Nachfahren erleichtern. Wie ein Sprecher des Ministeriums der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mitteilte, ist eine "großzügige Erlassregelung" geplant. Dies sei ohne weiteres kurzfristig möglich.
Eine solche Regelung sei einer gesetzlichen Vorschrift vorzuziehen, "weil sie sofort umsetzbar und wesentlich flexibler zu handhaben" sei. Bislang gibt es für deutsche Juden, die vor dem Nazi-Regime ins Ausland geflohen waren und eine neue Staatsangehörigkeit angenommen hatten, oft keinen Anspruch auf eine Einbürgerung in Deutschland. Sie wurden nach Ansicht der Behörden nicht ausgebürgert, sondern haben ihre Staatsangehörigkeit wegen der Annahme eines anderen Passes verloren.
Grüne wollen Gesetzentwurf einbringen
Zuvor hatten die Grünen einen Gesetzentwurf angekündigt, um besonders vor den Nazis geflüchteten Juden und ihren Nachkommen die Wiedereinbürgerung zu erleichtern. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Filiz Polat, bezeichnete die derzeitige Rechtslage als "völlig inakzeptabel". Der Gesetzentwurf der Grünen-Bundestagsfraktion soll laut "Welt" nach der Sommerpause ins Parlament eingebracht werden.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", es sei "historisch angemessen, dass deutsche NS-Verfolgte und ihre unmittelbaren Nachkommen erleichtert eingebürgert werden können".
Lindh: Von freiwillig kann keine Rede sein
Auch der SPD-Innenpolitiker Helge Lindh sprach von "Handlungsbedarf". Bei den damals ins Ausland geflohenen Deutschen könne von einer freiwilligen Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft keine Rede sein, sagte er dem Blatt: "Wir sollten darauf hinwirken, dass die Nachkommen der emigrierten jüdischen Deutschen einen erleichterten Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft haben."
Wer während der Nazi-Zeit "aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen" ausgebürgert wurde, hat laut Grundgesetz Anspruch auf Wiedereinbürgerung. Dies gilt auch für die Nachfahren. Fälle, in denen zum Beispiel ein Jude aus Angst vor Verfolgung ins Ausland flüchtete und dort eine neue Staatsbürgerschaft annahm, sind davon jedoch nicht erfasst. Auch Nachfahren von nichtehelichen Kindern oder Nachfahren von Frauen, die mit einem Ausländer verheiratet waren und ausgebürgert wurden, haben keinen Anspruch auf Einbürgerung.
Alle diese Fälle wollen die Grünen mit einer Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts künftig erfassen. Die Grünen schlagen vor, in Paragraf 15 des Staatsangehörigkeitsgesetzes "Ansprüche auf Einbürgerung zu verankern, die alle Konstellationen erfassen sollen, in denen nationalsozialistisches Unrecht gutzumachen ist". Eine Alternative könne sein, dass die Behörden schon bestehende Regelungen "großzügig nutzen".
Es sei "irritierend", dass die Bundesregierung bei dem Thema bisher nicht zu einer langfristigen Lösung gekommen sei, erklärte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. "Dass Nachkommen von während der NS-Diktatur Verfolgten und zur Emigration Gezwungenen heute wieder deutsche Staatsangehörige werden wollen, sollte uns mit Dankbarkeit erfüllen." Die "rechtlichen Hindernisse" auf diesem Weg müssten beseitigt werden.
Beim Zentralrat der Juden in Deutschland stößt das Vorhaben auf ausdrückliche Zustimmung. "Die Regierungskoalition sollte diesem Vorschlag rasch folgen und eine neue, gerechtere Rechtslage schaffen", forderte Zentralratspräsident Josef Schuster. Er nannte es einen "großen Vertrauensbeweis", dass die Betroffenen wieder die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen möchten. "Ihnen und ihren Nachkommen sollte Deutschland großherzig die Türen öffnen."
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP