Politik

Lamya Kaddor ist dagegen "Muslimischer Feiertag wäre Symbolpolitik"

Der Vorschlag des Innenministers, über einen muslimischen Feiertag nachzudenken, löst eine Kontroverse aus. Die CSU ist dagegen, der Zentralrat der Muslime dafür. Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor erklärt im Interview, warum auch sie die Idee für falsch hält.

n-tv.de: Frau Kaddor, wäre ein islamischer Feiertag etwas für Ihr Heimatland Nordrhein-Westfalen?

Lamya Kaddor: Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass es im Moment unangebracht wäre, einen muslimischen Feiertag einzuführen. Muslime machen fünf bis sechs Prozent der deutschen Bevölkerung aus. Für so einen kleinen Anteil einen Feiertag einzuführen, halte ich für ein falsches Signal.

Besteht unter Muslimen überhaupt der Wunsch nach einem eigenen Feiertag?

Wie vermutlich für jeden arbeitenden Menschen wäre es gewiss auch für solche muslimischen Glaubens schön, wenn sie zum Beispiel am Ende des Ramadans freie Tage hätten, ohne Urlaub beantragen zu müssen. Trotzdem geht das bisher auch so. Die Einführung eines Islam-Feiertags dürfte allerdings einer positiven Diskriminierung gleichkommen, im Sinne einer Sonderbehandlung für Muslime. Das wäre kontraproduktiv.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Lehrerin und Publizistin zu den Themen Islamunterricht und Integration. Sie gründete den Verein Liberal-Islamischer Bund.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Lehrerin und Publizistin zu den Themen Islamunterricht und Integration. Sie gründete den Verein Liberal-Islamischer Bund.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sie befürchten mehr antimuslimische Ressentiments?

Politiker, aber auch wir als Gesellschaft sollten erst einmal unsere Hausaufgaben machen. Es gibt dringendere Fragen: Muss man Muslime wirklich immer als Muslime sehen? Wie lässt sich Einwanderung überhaupt gesetzlich sinnvoll steuern? Brauchen wir nicht ein Einwanderungs- und Integrationsministerium? Solange wir solche Probleme nicht lösen, wird die Debatte über einen Feiertag bloß dafür sorgen, dass die antimuslimische Stimmung in bestimmten Kreisen weiter geschürt wird. Ich würde mir wünschen, dass wir erst einmal die richtigen Themen ernsthaft angehen.

Was könnte hinter de Maizières Überlegung zu einem islamischen Feiertag stecken?

Keine Ahnung. Vielleicht versucht er ja, die Wählergruppe der Muslime an die CDU zu binden und ein Zeichen zu setzen. Das würde mich ärgern. Alles, was mit Muslimen und mit Integration zu tun hat, beschränkt sich oft auf parteipolitisches Kalkül und Symbolpolitik. Selten beschäftigen wir uns tiefgründig mit den Problemen. Wenn Sie Muslime in diesem Land fragen: Was ist euch ein besonders dringliches Anliegen? Dann sagen die mit Sicherheit nicht, wir wollen einen islamischen Feiertag haben.

Der Zentralrat der Muslime sieht das ganz anders und plädiert für einen Feiertag.

Der erste Impuls zu einem solchen Vorschlag mag bei Muslimen positiv ausfallen. Es erscheint wie ein schönes Entgegenkommen. Aber wenn man genauer nachdenkt, müssten alle zu dem Schluss kommen, dass es mit Symbolen nicht mehr getan ist, und wir uns lieber konkret darüber unterhalten sollten, wie wir ein besseres Zusammenleben hinkriegen. Die Reaktion des Zentralrats der Muslime ist mir zu kurz gedacht.

Ist es richtig, dass konservative Politiker so auf die christliche Tradition pochen und einen islamischen Feiertag ablehnen?

Ich kann alle Positionen nachvollziehen, auch von konservativen Mitbürgern, die sagen, es war schon immer so und wir wollen das Christliche erhalten. Realistisch betrachtet wissen wir allerdings auch, dass ein Drittel unserer Bevölkerung inzwischen konfessionslos ist. Demzufolge müssten wir ganz anders argumentieren. Vielleicht müssen wir irgendwann darüber nachdenken, ob wir flexible Urlaubszeiten für religiöse Feiertage entwickeln.

Das würde natürlich ein ganz großes Fass aufmachen…

Wir leben im überwiegend christlich-jüdischen geprägten Abendland, was Ursprung und Kultur angeht, dem widerspricht niemand. Das muss auch respektiert werden. Aber die Gesellschaft verändert sich nun mal. Vor 30 Jahren war völlig klar, dass an christlichen Feiertagen nicht zu rütteln ist. Inzwischen befinden wir uns im Zeitalter der Globalisierung. Und auch die Identität dieses Landes und dieser Gesellschaft verändert sich, wir sind nicht mehr besonders homogen. Eigentlich war Deutschland historisch gesehen nie besonders homogen. Demzufolge sollte die Diskussion darüber, was uns zusammenhält, eine andere werden. Sind es wirklich Feiertage und wenn ja welche? Die Antwort sollte nicht darauf hinauslaufen, dass nur spezifische religiöse Feiertage eine Gesellschaft zusammenhalten können. Lassen Sie uns überlegen, ob sich die Gesellschaft überhaupt noch über religiöse Feiertage identifiziert? Womöglich müssen wir das insgesamt mal überarbeiten.

Was wäre Ihr Vorschlag?

Schön wäre es möglicherweise, einen Feiertag einzuführen, der für das steht, was unsere Gesellschaft ausmacht und verbindet. Vielleicht ein "Tag der Einwanderung". Es gibt eine Tradition der Einwanderung in dieses Land seit Jahrhunderten, von Hugenotten bis zu Syrern. Das könnte ein Signal sein, mal nach vorne in die Zukunft zu schauen, statt zurück in die Vergangenheit. Christliche Werte jedenfalls würden dadurch nicht angetastet. Ebenso wenig wie muslimische oder sonstige.

Mit Lamya Kaddor sprach Nora Schareika

Quelle: ntv.de

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