Politik

Sicherheitsgesetz für Hongkong Peking - von Panik getrieben

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Bereitschaftspolizisten setzen in Hongkong einen Demonstranten fest.

(Foto: dpa)

Mit dem Sicherheitsgesetz der chinesischen Regierung für die Sonderverwaltungszone hat sich Peking keine Freunde im Westen gemacht. Die autoritäre Natur des chinesischen Regimes lässt Autokraten jedoch keine Wahl, als rigoros gegen freiheitliche Strömungen vorzugehen.

Der Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong greift zu einem drastischen Vergleich. Er warnt vor einem Massaker in der Stadt, sollte die chinesische Regierung ihr bereits verabschiedetes Sicherheitsgesetz tatsächlich umsetzen. Wong zieht Parallelen zum 4. Juni 1989, als das chinesische Militär die Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking mit Panzern buchstäblich niederwalzte.

Sein Erinnern an die tragischen Ereignisse vor fast auf den Tag genau 31 Jahren ist keine Drohung. Es ist ein Hilferuf. Große Teile von Hongkongs Jugend haben sich dem Widerstand gegen den chinesischen Vertragsbruch angeschlossen, einige an vorderster Front mit Steinen bewaffnet, viele mehr in zweiter Reihe, um die Logistik und Organisation der Bewegung zu stützen. Die jungen Menschen kämpfen um ihre Freiheiten, die ihnen auf dem Papier bis ins Jahr 2047 garantiert worden sind, aber seit Jahren von der chinesischen Regierung mit Füßen getreten werden. Das Sicherheitsgesetz, das der Nationale Volkskongress in Peking nun beschlossen hat und dabei das Parlament in Hongkong übergangen hatte, wird die vereinbarte Autonomie der ehemaligen britischen Kolonie so weit einschränken, dass faktisch keinerlei relevante Selbstbestimmung der Bürger mehr möglich wäre.

Gewaltsame Aufrechterhaltung der Fassade

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Chinas Staatschef Xi Jinping votiert bei der Abstimmung über das umstrittene Sicherheitsgesetz für dessen Annahme.

(Foto: dpa)

Das Gesetz ist der vorläufige Höhepunkt einer systematischen Unterwanderung, die die Verachtung für, aber auch die Angst des Pekinger Regimes vor freiheitlichen Strömungen offenbart. Es zeigt die Schwachstellen autoritärer Politik, die stets Angst davor haben muss, entlarvt zu werden als das, was sie wirklich ist: nämlich nichts anderes als eine Fassade. In Wahrheit bedienen die handelnden Personen in autoritären Systemen ausschließlich ihre eigenen Interessen. Gewinnt diese Wahrnehmung ausreichend Anhänger in der Bevölkerung, gerät das Machtmonopol von Autokraten in Gefahr. Deshalb versucht Peking - von Panik getrieben -, den Geist der Freiheit überall dort reflexartig zu verscheuchen, wo er übergreifen könnte auf die 1,4 Milliarden Menschen in der Volksrepublik.

Deswegen ist Peking auch bereit, jeden Preis zu zahlen, der nötig ist, um die Protestler von Hongkong zum Schweigen zu bringen. Die Kommunistische Partei nimmt eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zu den USA in Kauf, was zweifellos wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen wird. In den USA hat Hongkong viele Unterstützer. Aktivist Wong traf im vergangenen Jahr in Washington auf Vertreter des US-Kongresses, um für seine Bewegung zu werben. Die Regierung um Präsident Donald Trump hat bereits Sanktionen angekündigt und auch die bisherige, großzügige Praxis bei der Visavergabe für chinesische Offizielle zur Disposition gestellt.

Röttgen: "Grenzen setzen"

Auch in Europa regt sich Widerstand. Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, warnte im Parlament Deutschland und die EU vor einem Kotau Richtung Peking. "Wenn China nur und im wesentlichen Schweigen erfährt, wenn es solche Unrechtsakte ankündigt und vollzieht, dann wird das auf das weitere chinesische Verhalten ermunternden Einfluss haben. Wir müssen den gegenteiligen Einfluss ausüben. Wir müssen Grenzen setzen", sagte der CDU-Politiker.

Röttgen nennt die vielen Brennpunkte der kommenden Jahre beim Namen: Taiwan zuallererst, dazu die aggressive territoriale Ausbreitung Chinas im Südchinesischen Meer, der geostrategische Ausbau der neuen Seidenstraße bis tief in den afrikanischen Kontinent, aber auch Handelsbeziehungen und die Frage von Menschenrechten. Auch vor Europa wird Peking nicht halt machen.

Aber keine Sorge: Es wird kein Soldat der Volksbefreiungsarmee bewaffnet an unsere Grenzen stehen. Stattdessen wird China versuchen, die freiheitlich-liberalen Institutionen zu unterwandern, um seine Standards und Werte aufzuzwingen und die Gesellschaft mit der Absicht zu spalten, die Grenzen der Wahrnehmung zwischen demokratischen und autoritären System zu verwischen.

"Wie nimmt China uns wahr?"

Der Prozess ist seit zwei Jahrzehnten in vollem Gange, und bis vor Kurzem schien die chinesische Regierung den Rest der Welt weitgehend in Sicherheit zu wiegen und mit ihrer wirtschaftlichen Kraft einzulullen. Die Corona-Pandemie, deren weltweite Ausbreitung China mit seiner wochenlangen Verschleierungstaktik zu verantworten hat, und die brutale Handhabe der Proteste in Hongkong hat das Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft zum Nachteile Pekings geschärft.

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Hongkong ist dabei nur eine Schlacht im Kampf der Systeme. Aber, wie Röttgen sagt, eine wegweisende. "Darum hat die Frage, wie wir uns in diesem Fall, Hongkong, verhalten, auch damit zu tun, wie wir uns im nächsten Fall verhalten. Es hat etwas damit zu tun, wie China uns wahrnimmt", sagte er.

Für die Autokraten gibt es keine harmonische Integration in eine freiheitliche Weltordnung, weil dort die Gefahren lauern, die ihr Machtmonopol ins Wanken bringen. Es ist ein regelrechtes Dilemma, in dem Peking steckt. Der chinesischen Regierung bleibt nichts anderes übrig, als ihre Interessen auch künftig mit brachialer Entschlossenheit durchzusetzen, wenn es überleben will. Die liberalen Demokratien der Welt aber haben die Mittel dazu, diesem Gebaren friedlich Einhalt zu gebieten. Offenbar ist die Zeit gekommen, in der sie damit beginnen, sie auch einzusetzen.

Quelle: ntv.de

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