Razzia beim Verfassungschutz Polizeiaktion löst Politikaffäre aus
09.03.2018, 17:06 Uhr
Der Nationalrat wird sich mit den Umständen der Razzia beim Verfassungsschutz beschäftigen.
(Foto: picture alliance / Herbert Neuba)
In Wien rückt die Polizei beim Verfassungschutz an. Anlass sind Ermittlungen wegen Unterschlagung. Doch die Einsatzgruppe ist fachfremd, der Leiter kommt von der FPÖ, und beschlagnahmt wurden angeblich frühere Ermittlungsberichte. Die Opposition schäumt.
Eine Sondereinheit der österreichischen Polizei hat Medienberichten zufolge bei einer Durchsuchung unberechtigterweise Dokumente des Verfassungsschutzes über rechtsradikale Gruppen beschlagnahmt. Die sogenannte Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), deren Leiter zudem noch Politiker der rechtspopulistischen FPÖ ist, durchsuchte vergangene Woche laut dem Magazin "Profil" Räume des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Dabei seien Ermittlungserkenntnisse zu Burschenschaftlern und Identitären mitgenommen worden.
Die Durchsuchung in den BVT-Räumen hatte demnach im Rahmen von Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen drei Beamte wegen Unterschlagung stattgefunden. In der Regel kümmere sich um solche Fälle die Finanzpolizei. Die endgültige Entscheidung für die Mobilisierung der EGS traf laut einem Bericht der Zeitung "Standard" Peter Goldgruber, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA meldete. Goldgruber ist Generalsekretär im Wiener Innenministerium und wurde von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl eingesetzt.
Festplatte beschlagnahmt
Zwischenzeitlich habe sich das Justizministerium eingeschaltet und festgestellt, dass bei der Durchsuchung offenbar nicht nur Dokumente von Verdächtigen beschlagnahmt worden waren, sondern auch die Festplatte einer - nicht verdächtigten - Referatsleiterin für Extremismus, hieß es in dem Bericht weiter. Auf der Festplatte sei der gesamte Extremismus-Ermittlungsstand des Verfassungsschutzes bis zum Jahr 2006 gespeichert, unter anderem Erkenntnisse zu Burschenschaftern und der rechtsradikalen Identitären Bewegung.
Goldgruber wies die Berichte laut APA als "Fake News" zurück. Bei der Durchsuchung der BVT-Räume habe die Polizei-Sondereinheit "diese staatsanwaltlichen Aktionen lediglich begleitet", hieß es weiter. Welche Daten beschlagnahmt wurden, entziehe sich der Kenntnis des Innenministeriums. Die Polizisten seien "zu keinem Zeitpunkt in Besitz dieser Daten" gewesen. Ein Sprecher des Justizministeriums erklärte, dass sich keine Extremismusdatei in den Händen von Polizei oder Staatsanwaltschaft befinde.
SPÖ kündigen Sondersitzung an
Heftige Kritik kam aus der Opposition. "Offensichtlich haben hier der FPÖ nahestehende Kräfte im Innenministerium die Gelegenheit am Schopf gepackt und Tatsachen geschaffen - weit über den ursprünglichen Ermittlungsinhalt hinaus", sagte Christian Kern, SPÖ-Chef und ehemaliger Kanzler. Die Sozialdemokraten kündigten demnach eine Sondersitzung des Parlaments an. Die liberale Partei Neos bestätigte gegenüber der Agentur die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats.
Österreichs Präsident Alexander Van der Bellen erwartet "eine rasche und vollständige Aufklärung". Demnach bezeichnete der Staatschef die Vorgänge in einer Stellungnahme am Freitag als "höchst ungewöhnlich und irritierend".
Die FPÖ unterhält enge Verbindungen zu Burschenschaften. Von den 51 FPÖ-Abgeordneten im österreichischen Parlament sind mehr als ein Drittel Mitglieder von Burschenschaften. Auch bei den FPÖ-Kabinettsmitgliedern gibt es einen hohen Anteil von Burschenschaftlern.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP