Mindestens 15 Tote, 35 Verletzte Putin schickt Bombenhagel über befreites Cherson
26.11.2022, 07:03 Uhr
Ein kleines Mädchen wartet am Bahnhof von Cherson auf seine Evakuierung.
(Foto: dpa)
Nach dem Rückzug der Russen aus dem südukrainischen Cherson beginnt für die dort verbliebenen Zivilisten das nächste Martyrium: Bei Bombardements auf Wohnhäuser sterben mindestens 15 Menschen, mehrere Krankenhäuser werden evakuiert. Und anhaltende Blackouts zermürben das ganze Land.
Die Ukraine kämpft mit den verheerenden Auswirkungen der jüngsten russischen Angriffe. In der südukrainischen Stadt Cherson wurden am Freitag nach Angaben der Behörden mindestens 15 Zivilisten bei russischem Beschuss getötet. 35 weitere Menschen seien verletzt worden - darunter ein Kind, erklärte eine Vertreterin der kürzlich befreiten Stadt. Unterdessen bemühten sich Techniker im ganzen Land, die Wärme-, Wasser- und Stromversorgung in ukrainischen Großstädten wiederherzustellen.
In Cherson wurden den Angaben zufolge mehrere Wohnhäuser und mehrstöckige Gebäude bei dem Beschuss beschädigt. Wegen "anhaltender russischer Bombardierungen" kündigte die Militärverwaltung der Region die Evakuierung der Krankenhäuser an. Der Stadtrat von Cherson bot Zivilisten eigenen Angaben zufolge an, sie in andere Regionen zu evakuieren.
Die russischen Truppen hatten die Stadt Cherson acht Monate lang besetzt gehalten. Vor zwei Wochen zogen sie sich aus der Stadt zurück, nachdem die ukrainischen Truppen in dem Gebiet immer weiter vorgerückt waren. Cherson war die einzige Regionalhauptstadt, welche die russischen Truppen erobert hatten. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Ende September die Annexion von Cherson und drei weiteren ukrainischen Regionen verkündet. Auch nach dem Truppenabzug aus der Stadt betonte der Kreml, Cherson bleibe Teil des russischen Staatsgebiets.
Sechs Millionen Haushalte ohne Strom
In der gesamten Ukraine waren auch am Freitag nach massiven russischen Angriffen auf Energieanlagen weiterhin mehr als sechs Millionen Haushalte ohne Strom. "Heute Abend dauern in den meisten Regionen und in Kiew Stromausfälle an", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Mit nun sechs Millionen betroffenen Haushalten habe sich die Zahl seit Mittwoch "halbiert". Der staatliche Stromversorger Ukrenergo erklärte, dass das Stromnetz noch zu 30 Prozent ausgefallen sei. Seine Techniker würden "rund um die Uhr" an der vollständigen Wiederherstellung arbeiten. Für das Wochenende wird mit einer besseren Versorgung gerechnet.
In der Hauptstadt Kiew waren Selenskyj zufolge rund 600.000 Kunden von Stromausfällen betroffen. Infolge der Blackouts, die manchmal länger als einen Tag dauern, bildeten sich in Kiew lange Schlangen vor den Banken, wie der Journalist und Autor für ntv.de, Denis Trubetskoy, auf Twitter berichtet. Dies sei "kein Ausdruck der Panik, sondern eher der praktischen Notwendigkeit: Mit Karte zahlen ist bei Stromausfällen oft unmöglich."
Ukraine gedenkt tödlicher Hungersnot
Zu den am stärksten betroffenen Regionen gehören neben der Hauptstadt außerdem Odessa im Süden, Lwiw und Winnyzja im Westen sowie Dnipropetrowsk im Landesinneren. Die systematischen und gezielten russischen Bombenangriffe haben die Energie-Infrastruktur der Ukraine in den vergangenen Wochen in die Knie gezwungen, während gleichzeitig der Winter begonnen hat. Damit wächst die Furcht vor einer Gesundheitskrise und einer weiteren Massenflucht aus dem vom Krieg zerrütteten Land.
Die Ukraine erinnert am heutigen Samstag an die von der Sowjetführung verursachte Hungersnot in dem Land vor 90 Jahren - den sogenannten Holodomor. Der ukrainische Begriff Holodomor bedeutet Tötung durch Hunger und bezieht sich auf die Jahre 1932 und 1933. Damals hatte der sowjetische Machthaber Joseph Stalin durch eine erzwungene Kollektivierung der Landwirtschaft eine große Hungersnot ausgelöst, an der in der Ukraine mehrere Millionen Menschen starben.
Quelle: ntv.de, jug/AFP