Kreml-Truppen auf dem Vormarsch Russen nähern sich ukrainischer Grenzstadt Wowtschansk
12.05.2024, 20:41 Uhr Artikel anhören
Ein ukrainischer Polizist am Samstag in Wowtschansk nach einem russischen Luftangriff.
(Foto: AP)
Die russischen Verbände in der Region Charkiw gewinnen weiter an Raum. Laut ukrainischen Angaben nähern sich drei Angriffsspitzen Wowtschansk. Präsident Selenskyj bezeichnet die Lage um die Stadt als "äußerst schwierig".
Die russischen Soldaten sind bei ihrer Bodenoffensive im Nordosten der Ukraine auf die Stadt Wowtschansk vorgerückt. Die Truppen seien außerhalb der Stadt und näherten sich von drei Seiten, sagte der Polizeichef in der Region Charkiw, Wolodymyr Tymoschko. Unter anderem sei ein russischer Panzer auf einer Zufahrtsstraße nach Wowtschansk gesichtet worden.
Ein Team der Nachrichtenagentur AP konnte aus einem nahe gelegenen Ort am Nachmittag Rauch aus Wowtschansk aufsteigen sehen. Die Stadt lag unter heftigem Artilleriebeschuss. Helfer versuchten, die verbliebenen der vor dem Krieg 17.000 Bewohner von Wowtschansk in Sicherheit zu bringen. Die meisten von ihnen sind ältere Menschen. Tymoschko sagte, Russland wende eine ähnliche Taktik an wie in den Schlachten um Bachmut und Awdijiwka, wo heftiger Beschuss aus der Luft von ständigen Attacken von Bodeneinheiten begleitet worden sei. Moskau versuche, den Ort von der Karte zu tilgen.
Entlang der sogenannten Grauen Zone an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine bei Charkiw sind viele ukrainische Dörfer wenig befestigt. Mindestens eine ukrainische Militärtruppe, eine Spezialeinheit der Nationalgarde, bestätigte aber am Wochenende ihren Rückzug aus dem Gebiet. In einem Video der Einheit vom Samstagabend hieß es, man kämpfe um die Ortschaft Hlyboke.
Selenskyj: Müssen Offensive stoppen
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, man habe vier Dörfer entlang der Grenze der Region Charkiw erobert, zusätzlich zu fünf Dörfern am Samstag. Die ukrainische Führung bestätigte die russischen Bodengewinne zunächst nicht. Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte es aber eine vordringliche Aufgabe, die russische Offensive in der Gegend zu stoppen. Er sprach von ukrainischen Gegenangriffen und erbittertem Widerstand der Streitkräfte seines Landes.
"Ob wir in dieser Aufgabe erfolgreich sind, hängt von jedem Soldaten, jedem Feldwebel, jedem Offizier ab", sagte Selenskyj. Die Lage um Wowtschansk bezeichnete er als "äußerst schwierig". "Unsere Aufgabe liegt auf der Hand - wir müssen dem Besatzer so viele Verluste wie möglich zufügen."
Die in den USA ansässige Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) erklärte, es sei davon auszugehen, dass die Russen am Wochenende die Ortschaften Striletscha, Pylna, Pleteniwka und Boryssiwka eingenommen haben. Geolokalisiertes Filmmaterial zeige zudem, dass russische Kräfte offenbar auch Morochowets und Oliinykowe erobert haben. Die russischen Gewinne seien "taktisch bedeutsam".
Analysten sagten, der russische Vorstoß ziele darauf ab, den Munitionsmangel der Ukrainer auszunutzen, bevor versprochene westliche Nachschublieferungen die Front erreichen. Indem ukrainische Soldaten im Nordosten gebunden werden, könnte Russland weiter im Süden ebenfalls eine Offensive vorantreiben.
Quelle: ntv.de, jpe/AP