Umstrittene Justizreform Scholz mahnt Netanjahu freundlich
16.03.2023, 15:56 Uhr
Die Unabhängigkeit der Justiz sei "ein hohes demokratisches Gut", mahnt Kanzler Scholz.
(Foto: REUTERS)
Die geplante Reform der Justiz in Israel spaltet das Land. Bei seinem Besuch in Berlin muss Premier Netanjahu mahnende Worte des Kanzlers hören. Er hoffe, sagt Scholz, dass ein Kompromissvorschlag noch nicht vom Tisch sei. Genau dies allerdings hatte sein Gast gestern erklärt.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Besorgnis über die in Israel geplante Justizreform zum Ausdruck gebracht. Die Unabhängigkeit der Justiz sei "ein hohes demokratisches Gut", sagte er bei einer Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Berlin. "Als demokratische Wertepartner und enge Freunde Israels verfolgen wir diese Debatte sehr aufmerksam und - das will ich nicht verhehlen - mit großer Sorge." Es sei gut, dass Netanjahu das Gespräch mit vielerlei Gruppen der Gesellschaft suche. Es sei wichtig, einen "möglichst breiten Konsens" in der Frage zu finden.
Der Kanzler äußerte die Hoffnung, dass der Kompromissvorschlag von Israels Präsident Isaac Herzog noch nicht vom Tisch sei. "Wir würden uns als Freunde Israels wünschen, dass auch über diesen Vorschlag das letzte Wort noch nicht gesprochen ist." Netanjahu hatte vor seiner Abreise nach Berlin am Vorabend den Kompromissvorschlag abgelehnt.
Herzog hatte in einer Fernsehansprache mitgeteilt, dass aus Gesprächen mit Politikern der Regierungs- als auch der Oppositionsparteien sein Vorschlag für einen "Kompromiss des Volkes" entstanden sei, der vor allem Abschwächungen bei den am meisten umstrittenen Punkten vorsieht. Er sollte Grundlage für weitere Verhandlungen sein und den aktuellen Entwurf "ersetzen". Eindringlich warnte er: "Diejenigen, die denken, dass ein Bürgerkrieg unmöglich ist, haben keine Idee, wie nah wir ihm schon sind."
Nach Ansicht von Netanjahu würde der Vorschlag die jetzige Situation im Justizsystem des Landes nur "verewigen". Dies aber wolle die Regierung nicht. In Berlin sagte Netanjahu nun, Israel bleibe auch mit der geplanten Justizreform eine liberale Demokratie. "Die Demokratie in Israel ist stark und lebendig, wir werden keinen Zentimeter davon abweichen." Vorwürfe, seine Regierung wolle die Demokratie abschaffen, wies Netanjahu als "absurd", "unberechtigt" und "lächerlich" zurück.
Seit Wochen kommt es in Israel zu Massenprotesten gegen die geplante Reform. Netanjahus Gegner werfen ihm und seiner Koalition vor, gezielt die Judikative schwächen zu wollen und die Demokratie zu untergraben. Die Regierung will mit der Reform unter anderem ihren Einfluss bei der Auswahl von Richtern stärken und die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken, Gesetze zu kippen. Sie begründet dies mit dem Vorwurf, Richter hätten sich über das normale Maß hinaus in die Politik eingemischt.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP