Carla Reemtsma im "Frühstart" "Scholz wäre kein Klima-Kanzler"
24.09.2021, 10:34 Uhr
Fridays-for-Future-Sprecherin Carla Reemtsma zeigt sich enttäuscht vom Bundestagswahlkampf. "Wir werden, so sehr wir darauf hoffen, keine 1,5-Grad-konforme Klimaregierung bekommen." Erstmals seit März findet heute ein Klimastreik statt.
Zwei Tage vor der Bundestagswahl hat eine Sprecherin der Bewegung Fridays for Future, Carla Reemtsma, den in Umfragen führenden SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz kritisiert. "Mit dem, was Olaf Scholz die vergangenen Jahre gemacht hat, ist er definitiv kein Klima-Kanzler", sagte Reemtsma im "Frühstart" bei ntv.
Die SPD falle mit ihrem Wahlprogramm deutlich hinter ihr selbst gesetztes Ziel zurück, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Scholz halte außerdem weiterhin am Kohleausstieg im Jahr 2038 fest. "Der müsste vorgezogen werden auf allerspätestens 2030", so die Klimaaktivistin. Dass die Grünen in den Umfragen zuletzt deutlich abgesunken sind, wollte sie nicht als Zeichen dafür werten, dass Klimapolitik für die Bürger weniger wichtig geworden sei.
Reemtsma kritisierte nicht nur die SPD, sondern zeigte sich insgesamt enttäuscht vom Wahlkampf. Alle Parteien plakatierten Klimaschutz und bekundeten ihren Einsatz für das Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. "Gleichzeitig erleben wir Lügen von der gesamten demokratischen Parteienlandschaft, denn keine Partei hat ein ausreichendes Programm für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze." Das zeige, wie dringend und gerechtfertigt der Protest sei. "Wenn wir nicht in den kommenden vier Jahren die Emissionen drastisch senken, wird es quasi unmöglich, in Deutschland noch einen gerechten Beitrag zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu leisten."
Am heutigen Freitag gibt es erstmals seit März einen globalen Klimastreik von Fridays for Future. Allein in Deutschland soll an 470 Orten demonstriert werden. Auch für mögliche Koalitionen nach der Wahl zeigte sich Reemtsma pessimistisch. "Wir werden, so sehr wir darauf hoffen, keine 1,5-Grad-konforme Klimaregierung bekommen."
Fehltage nehmen die Schüler in Kauf
Reemtsma äußerte sich auch zur Kritik des Deutschen Lehrerverbandes. Dessen Präsident Heinz-Peter Meidinger hatte gesagt, er lehne eine Aufhebung der Schulpflicht zugunsten politischer Aktionen ab. Fridays for Future fordere das gar nicht, entgegnete Reemtsma. Der Klimastreik sei "ein Stück weit ziviler Ungehorsam". "Dieser Grenzüberschritt ist wichtig und notwendig, auch legitim, angesichts des historischen Versagens im Bereich Klimaschutz." Schülerinnen und Schüler sähen ihre Zukunft so bedroht, dass sie zum Beispiel unentschuldigte Fehltage in Kauf nehmen würden.
Den Hungerstreik von Klimaaktivisten in Berlin verteidigte Reemtsma. Jeder könne selbst darüber entscheiden, was ein legitimes Mittel des Protestes sei, sagte sie. "Ich finde es vor allem erst mal erschütternd, dass junge Menschen in Anbetracht des politischen Versagens, das wir im Bereich der Klimakrise erleben, das Gefühl haben, zu diesem Mittel greifen zu müssen." Von Erpressung der drei Kanzlerkandidaten könne keine Rede sein, da ihnen selbst durch die Aktion der Aktivisten nichts drohe.
In der Klimabewegung stehe man für dieselben Ziele ein, so Reemtsma. Fridays for Future rufe allerdings nicht dazu auf, in den Hungerstreik zu treten. Seit mehr als drei Wochen ist im Berliner Regierungsviertel ein Camp aufgebaut. Die Teilnehmer fordern ein Gespräch mit den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock. Sechs von sieben Aktivisten sind inzwischen aus dem Hungerstreik ausgestiegen, der verbliebene Aktivist und eine neu dazugekommene Teilnehmerin drohen damit, ab Samstag auch nichts mehr zu trinken.
Quelle: ntv.de, psc